Frank Schäffler

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„Nur weil die SPD Probleme hat, heißt das noch lange nicht, dass wir jetzt nachgeben müssen.“

Frank Schäffler gab dem Cicero folgendes Interview. Die Fragen stellte Clemens Traub.

Herr Schäffler, Bundesfinanzminister Christian Lindner hatte zwei Gutachten zur Bewertung der Vorhaben des Kanzlers in Auftrag gegeben, welche die Finanzierungslücke im nächsten Haushalt um acht Milliarden Euro reduzieren sollten. In den Gutachten kommen erhebliche Zweifel an der Rechtsmäßigkeit mancher der Pläne zum Ausdruck. Scholz entgegnet den Gutachten allerdings mit den Worten: „Klares Ergebnis des juristischen Gutachtens: Das geht“. Was denken Sie darüber?

Diese pauschale Aussage des Bundeskanzlers ist schlichtweg falsch. Seine Äußerung lässt sich aus dem Gutachten nicht herauslesen. Was maßgeblich aus dem Bundeskanzleramt geplant wurde, ist teilweise eine Trickserei, die mit dem Begriff der Mogelpackung noch sehr mild umschrieben ist.

Wolfgang Kubicki hat sich offen gegen Scholz gestellt und sagte diesbezüglich in einem Interview: „Es bleibt für die FDP ein Mysterium, wie leichtfertig SPD und Grüne mit der Verfassung spielen.“ Stimmen Sie ihm zu?

Ja, Wolfgang Kubicki hat damit völlig recht. Mich wundert es, dass die SPD und Grünen einen Rechtsbruch offenen Auges in Kauf nehmen. Und das mit Ansage: Das Verfassungsgerichtsurteil von November 2023 ist sehr eindeutig gewesen. Notlagenkredite dürfen nicht in der Zukunft verwendet werden, wenn die Notlage nicht mehr gegeben ist – darüber kann man nicht drumherum reden. Das geht auch aus den beiden vorliegenden Rechtsgutachten von Professor Hellermann und dem unabhängigen wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministeriums eindeutig hervor. Das nun anders zu interpretieren, ist die Ansage zum Rechtsbruch. Das werden wir nicht mitmachen.

Können Sie den Lesern die drei Vorhaben des Bundeskanzlers erklären?

Erstens sollten Notlagenkredite, die bei der KfW geparkt wurden, wieder von der KfW zurückgeholt werden, um damit ein Teil der Finanzierungslücke zu schließen. Außerdem sah der Plan vor, ein Darlehen an die Deutsche Bahn zu geben, was dann später zurückgezahlt werden könnte. Drittens ging es darum, ein Darlehen an die Autobahn GmbH des Bundes zu geben, um dies dann später auch wieder zurückzahlen lassen zu können. Beide Beteiligungen, sowohl bei der Deutschen Bahn als auch bei der Autobahn GmbH, sind unter bestimmten Voraussetzungen nicht Teil der Schuldenbremse – nämlich, wenn es um finanzielle Transaktionen geht.

Hier muss man nun unterscheiden: Die Deutsche Bahn hat eigene Einnahmen, doch die Autobahn GmbH ist eine reine Einnahme-GmbH, die 100 Prozent von Zuschüssen des Bundes lebt. Deswegen schließt sich dort dieses Modell aus. Denn dies würde weder bei der Europäischen Union standhalten noch wäre es gemäß des Haushalts-Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 2023 verfassungskonform. Nur zum Verständnis: Es geht hier übrigens gerade einmal um vier bis fünf Milliarden Euro, was gerade einmal ein Prozent des gesamten Bundesetats entspricht. Das muss die Regierung nun wirklich einsparen können.

Wird die FDP im Deutschen Bundestag geschlossen gegen diese Pläne des Bundeskanzleramts stimmen?

Wir als FDP-Fraktion werden sicherlich keinem verfassungswidrigen Haushalt zustimmen, das ist völlig klar. Für uns Liberale steht fest: Wir müssen die Schuldenbremse einhalten und es darf am Ende keine Steuererhöhungen geben. Den Haushalt 2025 möchten wir mit einer Wirtschaftswende verbinden: Das heißt, wir möchten das Bürgergeld reformieren, die kalte Progression abmildern und auch die Investitionen hochhalten. All das muss parallel kommen, ansonsten wird es mit einer Einigung sehr schwer.

Sie sprechen von „möchten“ und „muss kommen“, die Realität ist allerdings eine andere. Der Bundeshaushalt 2025, wie er im Juli vereinbart wurde, hat rein gar nichts mit einem „Sparhaushalt“ zu tun: Die Ampel nimmt fast viermal so viele Schulden auf, wie die Schuldenbremse es im Minimalvorfall vorsieht. Wie wollen Sie das als Erfolg verkaufen?

Wir haben nach der Aussetzung der Schuldenbremse in den Corona-Jahren und in der Energiekrise im Zuge des russischen Angriffskrieges dann zweimal die Schuldenbremse wieder eingehalten. Das ist nach den Jahren der Freibiermentalität, wo jedes Problem mit neuen Schulden zugepflastert wurde, ein Erfolg. Dass es kein Sparhaushalt ist, wissen wir. Aber genau das wird die Auseinandersetzung im nächsten Jahr sein. Der Staat muss den Gürtel enger schnallen und den Bürgern mehr zutrauen. Es braucht eine Fitness-Kur für unser Land, sonst fallen wir weiter zurück.

Warum hat die SPD nicht aus dem Urteil über das Zweite Nachtragshaushaltgesetz 2021 des Bundesverfassungsgerichts gelernt? Immerhin war das im November eine Schmach für Olaf Scholz. Damals ging es um die Gelder zur Bewältigung der Corona-Krise, die nicht hätten in den Klimafonds fließen dürfen.

Die SPD will die Schuldenbremse im Grundgesetzt nach und nach schleifen und damit abschaffen. Sie glauben, sie würden einen Beitrag dazu leisten, wenn die Schuldenbremse immer wieder in Frage gestellt wird. Ich halte das für ein strategisches Vorgehen, das insbesondere auch vom linken Lager der SPD-Bundestagsfraktion getragen wird. Ich halte das allerdings für eine Harakiri-Politik – mit solchen unverantwortlichen Rechtsbrüchen kann man keinen Staat regieren. Erst recht, wenn sie ihren Ursprung direkt im Kanzleramt haben.

Es scheint, als wolle Scholz wider besseres Wissen mit dem Kopf durch die Mauer. Ist der Bundeskanzler schlicht ein Sturkopf oder hat es machtpolitische Gründe?

Der Bundeskanzler ist in seiner eigenen Fraktion hinsichtlich des Haushaltes schwer unter Druck. Schauen Sie nur auf die Kritik von Rolf Mützenich und anderen SPD-Bundestagsabgeordneten aus dem linken Lager: Diese zielt nur auf den ersten Blick auf Finanzminister Lindner, auf den zweiten Blick ist sie sehr wohl an Olaf Scholz adressiert. Deswegen muss sich der Kanzler auch fragen, ob er die Unterstützung aus seiner Fraktion in Gänze überhaupt noch hat. Das ist die eigentlich entscheidende Frage.

Was passiert, wenn die Sozialdemokraten weiterhin auf ihre Pläne in der Haushaltsplanung beharren werden?

Wenn die SPD der Auffassung ist, die Schuldenbremse muss geschleift oder muss gekippt werden, dann kann diese Ampelkoalition nicht mehr weitergeführt werden. In dieser Haltung bin ich ganz klar. Doch dafür gibt es auch keine Mehrheit im Deutschen Bundestag. Die Sozialdemokraten müssen sich fragen, mit wem sie das durchsetzen möchte. Außer den Grünen und ein paar versprengten Linken gibt es niemanden im Deutschen Bundestag, der das möchte.

Sie sagten, dass Bundeskanzler Scholz mit seinem Manöver einen Rechtsbruch offenen Auges in Kauf nimmt. Wie können die Liberalen denn weiterhin eine derartige Koalition guten Gewissens mittragen? Muss die FDP jetzt nicht die Reisleine ziehen und aus der Ampelkoalition austreten?

Wir haben einen Koalitionsvertrag unterschrieben, der aus liberaler Perspektive ein paar gute Grundlagen hat. Wir haben damals vereinbart, dass es keine Steuererhöhungen geben darf und die Schuldenbremse eingehalten werden muss. Das haben wir als FDP versprochen und das möchten wir auch umsetzen. Als FDP sind wir nicht verheiratet mit dieser Koalition, sondern es ist eher eine Zwangsvereinigung gewesen. Es gab gar keine andere Möglichkeit, nachdem Markus Söder damals Armin Laschet den Laufpass gegeben hat. Dass das natürlich immer schwierig war und auch bleiben wird, ist völlig klar.

Sie sind erstaunlich optimistisch. Die FDP liegt derzeit in einer Umfrage von Forschungsgruppe Wahlen bei vier Prozent. Das ist ein Minus von sieben Prozent im Vergleich zu den Ergebnissen bei der letzten Bundestagswahl. Die unpopuläre Ampel schadet der FDP massiv. Wie kann sich Ihre Partei aus diesem Loch befreien?

Wir müssen klare Kante zeigen. Wir haben ein Negativwachstum und sind der kranke Mann Europas, weswegen die FDP der Garant dafür sein muss, dass es wieder aufwärts geht und die Mitte der Gesellschaft daran teilhaben kann. Dafür braucht es solide Finanzen und einen fitten Staat, der schneller und effizienter ist. Dazu gehört auch ein Sozialstaat, der bezahlbar ist. Wenn wir das deutlich machen, bin ich auch optimistisch. Entscheidend ist für die FDP auch, dass sie gerade bei dieser Haushaltsfrage den Rücken gerade macht und sich nicht dem kurzfristigen Einigungswillen unterwirft. Nur weil die SPD Probleme hat, heißt das noch lange nicht, dass wir jetzt nachgeben müssen.

In welchem Bereich sollte die Bundesregierung die Einsparungen Ihrer Meinung nach vornehmen?

Ganz klar, in den Bereichen, in denen der teure Konsum des Staates stattfindet. Das Bürgergeld ist ein großes Problem. Würde es uns gelingen, 100.000 Menschen weniger ins Bürgergeld zu bringen, dann hätte der Staat ein bis zwei Milliarden Euro weniger an jährlichen Ausgaben in diesem Bereich. Dort spielt die Musik, dort müssen wir offensiv heran. Das machen wir jetzt auch, indem wir die Sanktionen im Bürgergeld verschärfen.

Das Bürgergeld war im Nachhinein ein großer Fehler – wir haben der Sozialdemokratie zu sehr vertraut, dass ein „Jobturbo“ stattfindet und die Menschen von sich aus arbeiten. In vielen Bereichen lohnt sich dann eben Arbeit immer noch nicht ausreichend. Immer dann, wenn mehrere Kinder in einer Bürgergeld-Familie sind, ist der Anreiz arbeitsaktiv zu werden sehr gering. Im Kern müssen wir wieder zur alten Hartz IV-Regelung gehen, das halte ich für sehr wichtig.

Die liberale Basis beklagt, dass die FDP gerade ihre Identität und ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Was war der größte Fehler der Liberalen in der Ampelkoalition?

Dass wir den Grünen beim Ausstieg der sechs verbleibenden Kernkraftwerke auf den Leim gegangen sind, halte ich für den größten Fehler, den wir in dieser Legislaturperiode gemacht haben. Wir müssen uns Gedanken machen, was langfristig der größte Wachstumshemmschuh in diesem Land ist. Das ist eindeutig die falsche Energiepolitik. Damit meine ich die riesigen und teilweise intransparenten grünen Investitionen in die Energieinfrastruktur, das ideologisch motivierte Abschalten der Kernkraftwerke und das Wiederhochlaufen der Kohlekraftwerke.

Wie kann dieses historische Versäumnis behoben werden? Wir müssen wieder in Kernenergie einsteigen und das Abschalten der sechs Kernkraftwerke rückgängig machen. Wenn Deutschland eine Industrienation bleiben möchte, dann müssen wir diese falsche Energiepolitik wieder verändern.

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