Pfefferminzia: Die FDP hat sich jüngst für ein flexibles Renteneintrittsalter ab 60 ausgesprochen – welche Vorteile hätte dieses Konzept?
Frank Schäffler: Wir wollen, dass diejenigen, die ab 60 Jahren über Einkünfte oberhalb der Grundsicherung verfügen, ab diesem Zeitpunkt in Rente gehen können. Sie sollen unbegrenzt hinzuverdienen können. Denn die Erwerbsbiographien ändern sich. Diesem Umstand wollen wir Rechnung tragen. Manche Menschen können und wollen auch im Seniorenalter noch weiterarbeiten, andere müssen es vielleicht. Die Demographie und der Druck auf die gesetzliche Rentenversicherung werden in den nächsten Jahren massiv zunehmen. Da muss man sich zwangsläufig auch über andere Modelle unterhalten.
Glauben Sie, dass eine weitere Einschränkung der Provisionszahlungen für Vermittler wirklich hilfreich sind?
Nein, die Berechnungsgrundlage für den Provisionsdeckel, die als Grundlage für den bestehenden Gesetzentwurf gewählt wurde, ist grob fehlerhaft. Das darf einer Finanzaufsichtsbehörde nicht passieren. Man hat die Lebensversicherungsprovisionen und die Provisionen der Restschuldversicherungen im Kern zusammengefasst und nur in Richtung der Lebensversicherung interpretiert. Das führt dazu, dass die Maximalprovision bei Lebensversicherungen viel zu hoch angesetzt wurde. Die Ergebnisse des Evaluierungsberichtes sind völlig falsch. Daher müssen BMF und Bafin nun erst einmal ordentliche Datengrundlagen schaffen.
Kann man die in der Finanzanlagenvermittlungsverordnung vorgesehene Taping-Pflicht, also der Aufzeichnungspflicht für Telefongespräche, dem Makler zumuten?
Nein. Daher bin ich auch froh, dass die nordrhein-westfälische Landesregierung im Bundesrat dieses Vorhaben nicht unterstützt hat. Generell haben wir alle nichts davon, wenn telefonisch überhaupt nicht mehr beraten werden kann. Dann legen die Menschen gar nichts mehr zurück oder agieren nur noch übers Internet. Die Reform der Finanzanlagevermittlungsverordnung ist ein großes Problem. Die Vermittler unter die Bafin-Aufsicht zu stellen, ist eines der größten Marktbereinigungsprogramme, das eine Regierung jemals aufgelegt hat. Ich rechne damit, dass die Bafin 300 neue Stellen schaffen wird. Das wird rund 40 Millionen Euro kosten, unterm Strich wird das dann auf die 37.000 Finanzanlagevermittler umgelegt. Da kommen ganz erhebliche Kosten auf den einzelnen Vermittler hinzu. Man gewinnt nichts und schafft nur mehr Bürokratie und mehr Kosten für die Beteiligten.
Wie ist Ihre Meinung zum Vorschlag einer verpflichtenden Deutschland-Rente, einem staatlich organisierten Standardprodukt der Altersvorsorge mit Opt-out-Modell?
Davon halte ich nichts. Ich glaube, dass man Menschen in die Lage versetzen muss, selbst das anzulegen, was sie für richtig halten. Und sie nicht in standardisierte Produkte zu zwingen, die sich die Politik ausgedacht hat. Denn dann werden sehr häufig sachfremde Dinge mit hineingepackt. Das war schon bei der Riester-Rente so, und das baden wir heute noch aus.
Zur Riester-Rente – abwracken oder verbessern?
Die Riester-Rente ist zu kompliziert. Eigentlich müssten Zulagen und all das, was gezahlt wird, über das Finanzamt erstattet werden. Wir schlagen vor, ein Altersvorsorgekonto zu schaffen, in dem die Rürup- und Riester-Rente vollständig aufgehen. Dort sollen die Menschen aber frei über die Anlageform entscheiden können – also ob sie nun Aktienfonds, ETFs, Mitarbeiterbeteiligungen oder Versicherungen haben möchten. Und das soll dann nachgelagert besteuert werden.
Wie bewerten Sie den Vorschlag von Grünen-Chef Robert Habeck, einen Bürgerfonds aufzubauen?
Ich halte wenig davon, die nationale Schuldenbremse zu kaschieren oder diese zu verändern. Es ist natürlich verführerisch zu sagen, in einer Null- oder Negativzinsphase legen wir dieses Geld anderweitig an. Aber ich traue dem Gestaltungswillen der Politik nicht, denn am Ende wird immer sachfremd agiert. Einen solchen Fonds wird man auch nicht dem Zugriff späterer Regierungen entziehen können. Das ist meine große Sorge bei diesen zentralen Projekten.
Wie soll die Politik der Null-Bock-Mentalität der jungen Generation in Sachen Altersvorsorge entgegentreten?
Zum einen muss man den Erwerb von Vermögensgütern attraktiv machen. Wir brauchen einen Anschub für eine Aktienkultur in Deutschland. Wir schlagen vor, dass man Kursgewinne nach fünf Jahren Haltedauer steuerfrei stellt. Und zum anderen müssen die Menschen entlastet werden. Das setzt eine Steuerreform voraus, die mit der Abschaffung des Solidaritätszuschlags beginnen sollte. Denn der gilt ja nicht nur für die Einkommenssteuer, sondern auch für die Kapitalertragssteuer. Manche Aktien wie etwa Daimler haben eine Dividendenrendite von über 6 Prozent, da kommt man schnell über den Grenzwert und zahlt Solidaritätszuschlag. Das ist ein Schlag ins Gesicht unserer Aktienkultur.
Das Interview erschien zuerst bei: Pfefferminzia.de . Alter