Der Sprecher für FinTech- und Blockchain-Innovationen der FDP-Bundestagsfraktion, Frank Schäffler, sprach mit dem Magazin „Cash“ über den Ukraine-Krieg und die Folgen für den Kryptomarkt und die Energieversorgung. Die Fragen stellte Kim Brodtmann.
Andrij Melnyk, der ukrainische Botschafter in Berlin, hat die seiner Meinung nach zögerliche Haltung der Bundesregierung zu Waffenlieferungen an die Ukraine als „feige“ bezeichnet. Wie bewerten Sie diese Aussage?
Schäffler: Ich bin tief besorgt über den Krieg in der Ukraine und kann Andrij Melnyks Ruf nach Waffenunterstützung verstehen. Die Bundesregierung wird auch künftig finanzielle und auch militärische Unterstützung für die Ukraine leisten. Das halte ich für richtig und notwendig.
Russland könnte versuchen, die gegen das Land verhängten Sanktionen mithilfe von Kryptowährungen zu umgehen. Kann das gelingen?
Schäffler: Wladimir Putin war bemüht, spätestens seit der Krim-Annektion Russland unabhängiger vom internationalen Finanzsystem zu machen – Kryptowährungen waren kein Bestandteil. Es wäre auch töricht, Sanktionen mittels einer Blockchain, auf der alles transparent und unwiderruflich gespeichert ist, umgehen zu wollen. Denn spätestens beim Umtausch zu Fiatgeld wird der Kryptobesitzer identifiziert. Zudem könnte der Liquiditätsbedarf Russlands überhaupt nicht mit dem immer noch recht kleinen Kryptomarkt bedient werden. Blockchain und Kryptowährungen sind keine Gefahr, sie sind eher eine Chance auf ein neues Level an Transparenz, gerade für staatliche Stellen. Und gleichzeitig sieht man, dass die ukrainische Regierung Hilfsgelder in Bitcoin und Ether in der Größenordnung von mehr als 60 Millionen US-Dollar erhalten hat.
Welche Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht erforderlich, um die Abhängigkeit von russischem Öl und Gas so schnell wie möglich zu beenden?
Schäffler: Wir sind in einer Zwickmühle: Die Hälfte unseres Gases beziehen wir aus Russland. Diese Abhängigkeit kann schwierig von heute auf morgen, aber sicherlich in den kommenden Jahren, reduziert werden. Wir müssen alles dagegen tun, dass Stromzuteilungen notwendig werden und die Heizungen still stehen. Dazu werden wir neue Lieferpartner finden müssen, was kurzfristig aufgrund bestehender Verträge und vergebener Gaskontigente schwer wird. Zusätzlich muss über alternative Gasquellen wie Fracking-Gas sowie einer Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke nachgedacht werden. Als Übergang sollte auch die heimische Braunkohle genutzt werden.
Für Energiekonzerne wie Eon und RWE ist eine Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke kein Thema. Die Bundesregierung habe nach einer vernünftigen Diskussion beschlossen, dass sie darauf nicht zurückkommen wolle, sagte Eon-Vorstandschef Leonhard Birnbaum: „Damit ist die Sache für uns erledigt.“ Für Sie auch?
Schäffler: Nein, so eindeutig war die Absage der Energiekonzerne nicht. Über die Abschaltung der letzten und modernsten Kernkraftwerke Ende dieses Jahres sollte noch einmal nachgedacht werden. Wir isolieren uns durch den kategorischen Ausstieg aus der Atomkraft vollständig von dem erheblichen technologischen Fortschritt, der in diesem Bereich stattfindet.
Um die Energieversorgung Deutschlands sicherzustellen, verhandelt die Bundesregierung unter anderem mit Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt dazu: „Deutschland ist drauf und dran, ein schmutziges und verhängnisvolles Energiegeschäft durch ein kaum weniger schmutziges zu ersetzen.“ Sind die Verhandlungen ein Fehler, weil Deutschland erneut Geschäftsbeziehungen mit autoritären Staaten eingeht?
Schäffler: Wir dürfen uns von einer einseitigen Abhängigkeit nicht in einer andere begeben. Die deutsche Energiepolitik muss auf viele Säulen gesetzt werden. Dazu gehört neben neuen Öl- und Gaslieferanten auch die Verlängerung der Laufzeiten der bestehenden Atom- und Kohlekraftwerke.
Sollte Deutschland versuchen, den Krieg mit einem Öl-Embargo gegen Russland abzukürzen?
Schäffler: Wir dürfen unsere ökonomische Stärke nicht durch vorschnelle Schritte zerstören. Wichtig ist, uns schnell von russischem Gas und Öl unabhängig zu machen. Die Fehler der Merkel-Amtszeit können jedoch nicht über Nacht korrigiert werden. Das würde zu schwerwiegenden ökonomischen Verwerfungen in Deutschland führen.
Das Interview erschien zuerst bei Cash.ONLINE