Frank Schäffler

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Das Aufstiegsversprechen gilt nicht mehr

Das Interview erschien am 03.02.2020 in der NWZ.

Foto von Skitterphoto von Pexels

Niedrigzinsen, Rekordverschuldung, einer der höchsten Steuersätze der Welt – und trotzdem profitiert die Steuersenkungspartei FDP nicht davon. Warum das so ist, und was er vom Bundesverdienstkreuz für Mario Draghi hält, hat NWZ-Nachrichtenchef Alexander Will den FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler, einem der profiliertesten und konsequentesten liberalen Denker in Deutschland, gefragt.

Frage: Der ehemalige EZB-Chef Draghi hat das Bundesverdienstkreuz bekommen. Was sagen Sie dazu?

Antwort: Ich habe auf Twitter geschrieben, jetzt bekommt schon jemand das Bundesverdienstkreuz, der die deutschen Sparer enteignet. Aber es sei ihm gegönnt, weil der Finanzminister sehr von ihm profitiert hat und im Vergleich mit der Zeit vor 20 Jahren pro Jahr über 25 Milliarden Euro Zinsen einspart. Das ist der Verdienst von Herrn Draghi. Auf der anderen Seite hat er dazu beigetragen, dass die Sparer in Deutschland enteignet werden, es auf dem Sparbuch keine Zinsen mehr gibt, die Lebensversicherer in Schwierigkeiten geraten und die Pensionskassen vor die Wand fahren. Das ist die andere Bilanz von Herrn Draghi.

Frage: Aber ist die Niedrigzinspolitik nicht genau das, was eine Rezension bisher verhindert hat?

Antwort: Das kann sein. Aber dieser Aufschwung ist einer auf Pump. Er ist mit billigem Geld erkauft worden. Wenn man bedenkt, dass es die letzte große Reformanstrengung in Deutschland unter Gerhard Schröder gab und ihn eine halbe Generation als Bundeskanzler gar nicht mehr kennt, dann sagt das viel über die Reformbereitschaft dieses Landes aus. Ich glaube die Negativ-Zins-Politik von Herrn Draghi hat sehr viele Kollateralschäden angerichtet. Eine ist eben diese mangelnde Reformfähigkeit, ein immer fetterer Staat, der immer mehr ausgibt. Aber damit geht auch ein Auseinanderdriften der Gesellschaft einher. Die Gering- und Mittelverdiener haben heute eigentlich keine Chance mehr, unabhängig vom Staat und seinen Transferzahlungen zu werden. Das ist auch Herrn Draghis Verdienst.

 

Frage: Sehen Sie eine Schuldenblase?

Antwort: Wir haben eine Anleihen-Blase, eine weltweite Verschuldung! Die Welt war noch nie so hoch verschuldet wie jetzt. 250 Billionen Dollar. 2008 waren es noch 147 Billionen Dollar. Das Wachstum wird immer mehr Kredit finanziert. Das kann auf Dauer nicht gut gehen.

 

Frage: Umfragen zeigen, dass die Deutschen den Kapitalismus sehr kritisch sehen. Stehen wir vor einem Systemwechsel – mindestens mal in den Köpfen?

Antwort: Ich glaube, das, was die Menschen da als „Kapitalismus“ brandmarken, ist kein echter Kapitalismus. Das ist eigentlich ein Pump-Kapitalismus, verursacht durch das billige Geld. In einem Kapitalismus, in dem Angebot und Nachfrage auch beim Geld herrschen, gäbe es einen Zins. Und dieser Zins würde das Risiko und die Zeit des Investments berücksichtigen. Aber das spielt ja heute keine Rolle. Sie können derzeit für zehn Jahre für einen Prozent einen Kredit aufnehmen – praktisch unbegrenzt, wenn Sie Einkünfte haben. So eine Welt ist nicht normal.

 

Frage: Und wenn es schief geht, werden Sie vom Staat gerettet…

Antwort: Genau. Das kommt noch hinzu. Ich habe gesagt, es gibt ein Auseinanderdriften: Diejenigen, die kreditwürdig sind, sind tendenziell diejenigen, die schon Vermögen haben. Und diejenigen, die weniger kreditwürdig sind, sind tendenziell diejenigen, die geringere Einkünfte haben. Das heißt, Herr Draghis Politik führt auch dazu, dass diejenigen, die in Vermögensgüter investieren können, auch überdimensional profitieren. Die das nicht können, müssen mit den Folgen leben: höhere Mieten, höhere Immobilienpreise und so weiter.

 

Frage: Dann haben wir die Klimabewegung – die ist zu großen Teilen auf einen Systemwechsel aus. Brauchen wir eine Art Klimasozialismus, um dieses Problem zu lösen?

Antwort: Nein. Wenn man den Klimawandel beherrschen will, dann geht das nur mit Fortschritt. Dann gilt es, ihn positiv zu begleiten und auf den technischen Fortschritt zu setzen. Ich halte wenig von diesem Klima-Alarmismus nach dem Motto „Die Welt geht unter“. Die Welt ist in den letzten 1000 Jahren nicht untergegangen, und sie wird in den nächsten 1000 Jahren auch nicht untergehen. Entscheidend ist, dass wir eine freiheitliche Gesellschaft erhalten, in der Innovation, Wettbewerb und Rechtsstaatlichkeit weiter existieren. Die Welt wird nicht immer schlechter, sie wird immer besser. Alle Statistiken beweisen das. Die Kindersterblichkeit geht weltweit zurück, die Menschen werden immer älter, wir können immer mehr Menschen ernähren, die Flüsse sind sauberer.

 

Frage: Dann müssten Ihnen ja eigentlich Donald Trump und sein Optimismus in der Davos-Rede aus der Seele gesprochen haben…

Antwort: Ich bin sicherlich kein Freund von Herrn Trump. Dass er aber gegen diesen Klima-Alarmismus angeredet hat, das finde ich durchaus richtig. Er hat ja auch vor Optimismus gestrotzt und auch das halte ich für durchaus richtig.

 

Frage: Deutschland erzielt seit Jahr und Tag massive Steuerüberschüsse, auf der anderen Seite steigen die Belastungen der Menschen. Was sollte da passieren?

Antwort: Wir haben eine erdrückende Abgabenlast für breite Schichten der Bevölkerung. Wer heute Mindestlohn bezieht, muss von einer Gehaltserhöhung von 100 Euro 47 Euro abgeben. Beim Durchschnittsverdiener sind es über 50 Prozent. Egal, ob Sie Spitzen-, Normal-, oder Geringverdiener sind: Wenn Sie etwas erreichen wollen, dann hindert Sie der Staat daran, indem er Ihnen mit Zwangsversicherungen und Steuern das Geld aus der Tasche zieht. Deshalb gibt es auch das Aufstiegsversprechen, dass eine freie Gesellschaft ihren Bürgern geben sollte, in Deutschland in dieser Form nicht mehr – zumindest ist es sehr gefährdet. Da müssen wir etwas tun.

 

Frage: Jetzt ist es paradox – wir haben nach Belgien die höchste Steuer- und Abgabenlast, aber es interessiert die Leute nicht. Es gibt keinen Widerstand. Warum ist das so?

Antwort: Das interessiert schon mehr Menschen, als das die schreibende Zunft wahrnimmt! Aber die Bürger haben vielleicht den Eindruck, dass sie eh nichts ändern können, dass es quasi Gott gegeben ist. Ich will sagen, dass das nicht Gott gegeben ist. Da kann man etwas machen. Viele Länder auf der Welt haben das so nicht. Der Staat muss die Anreize verbessern, damit man sein Schicksal selbst in die Hand nehmen kann und will. Wir haben keine Gründer- und keine Aktienkultur. Wir brauchten ein Volk von Eigentümern. Aber wir tun eben auch nichts für eine vernünftige Aktienkultur. Das sieht man ja jetzt an der Aktienstrafsteuer. Das ist das Gegenteil von dem, was man tun muss. …

 

Frage: Nun wäre ja die FDP dafür prädestiniert. Nur: Die CDU schwächelt, die SPD schwächelt, und wer nicht davon profitiert, das ist die FDP. Warum?

Antwort: Ich glaube, dass die FDP zu lange in der Sprache zu akademisch war. Wir haben zu wenig die Botschaft vermittelt, dass wir uns an alle wenden, die etwas erreichen wollen. Dabei ist es egal, ob das jemand ist, der im Supermarkt an der Kasse sitzt und vielleicht irgendwann dort Abteilungsleiter werden will, oder ob das jemand im Krankenhaus ist, oder ob das ein Existenzgründer ist, oder ob das der Gemüsehändler mit Migrationshintergrund ist, der seine Existenz in Deutschland aufbauen will. Das haben wir noch nicht rüber gebracht…

Frage: …deswegen also das neue Wort von der „Arbeiterpartei“…?

Antwort: Ja – ich unterstütze das sehr. Wir wollen keine „Arbeiterpartei“ werden. Aber wir wollen an die liberale Tradition anknüpfen. Im 19. Jahrhundert, waren die Liberalen gegen Verkrustung und Obrigkeit. Sie haben für Selbsthilfe geworben. Schulze-Delitzsch, ein großer Liberaler, hat das Genossenschaftswesen in Deutschland ins Leben gerufen, indem er Vorschuss-, Darlehns-, und Konsumvereine gegründet hat. Da haben sich Leute zusammengeschlossen, die alle das gleiche Problem hatten: Sie haben nämlich keinen Kredit bekommen. In dieser Art der Selbsthilfe hat der Liberalismus eine große Tradition.

 

Frage: Heute ist ja jeder liberal – braucht man da noch den Liberalismus?

Antwort: Ja! Ich glaube, Marktwirtschaft, Rechtsstaatlichkeit, individuelle Freiheit – das sind heute noch wichtige Begriffe. Wie auch offene Gesellschaft, Durchlässigkeit, Aufstiegschancen. Das brauchen wir, damit diese Gesellschaft auch noch in zehn Jahren lebenswert ist.

 

Frage: Das schreibt sich ja nun von Linkspartei über die Grünen und die SPD bis zur CDU jeder auf die Fahnen. Was ist da der Unterschied zur FDP?

Antwort: Wir wollen nicht enteignen! Wir verstehen Marktwirtschaft nicht als Ort der Enteignung, wie die SPD. Wir glauben, dass wir steuerlich entlasten müssen. Das fordern in Deutschland aktuell nicht so viele.

Frage: Sogar die Linkspartei will das inzwischen!

Antwort: Das habe ich auch gelesen. Das zeigt ja, dass da im Gegensatz zur SPD vielleicht mehr vernünftige Menschen sind, zumindest, was das betrifft. Ich glaube, insgesamt gibt es  genug Unterschiede.

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