(Foto: One BTC coins; Zach Copley (CC BY 2.0) auf flickr)
In dieser Woche hat Venezuela die erste staatliche Kryptowährung der Welt geschaffen, um einen Befreiungsschlag für das durch die sozialistische Regierung Maduro heruntergewirtschaftete Land zu erreichen. Dass das gelingt, darf bezweifelt werden. Denn das Versprechen, 100 Millionen digitale „Petro-Coins“ durch ein Barrel venezolanischen Öls zu decken, ist zwar interessant, aber dennoch zum Scheitern verurteilt. Der Grund ist sehr simpel: Wieso sollten Investoren, die vielfach unter Maduros Vorgänger Hugo Chavez und ihm selbst enteignet wurden, jetzt der sozialistischen Autokratie trauen?
Venezuela ist sicherlich ein extremes Beispiel dafür, dass das staatliche Geldmonopol von Regierungen und Notenbanken missbraucht wird. Friedrich August von Hayek, der 1974 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten hat, hat dazu 1976 einen spektakulären Vorschlag gemacht. Er wollte den Wettbewerbsgedanken der Marktwirtschaft auf das Geldwesen übertragen.
Er ging dabei über den Wettbewerb der nationalen Währungen hinaus, weil er die Marktwirtschaft in Gefahr sah. „Wenn wir wollen, dass freies Unternehmertum und eine Marktwirtschaft fortbestehen, haben wir keine andere Wahl, als die Monopolstellung der Regierung bei der Geldemission und das System nationaler Währungen durch freien Wettbewerb zwischen privaten Emissionsbanken zu ersetzen“, so sein Vorschlag. Er hielt in einem solchen wettbewerblichen Geldsystem Zentralbanken für überflüssig. Denn die Rolle der Zentralbanken als „lender of last resort“ wird in einem Wettbewerbssystem überflüssig, da die Schaffung von Banknoten nicht mehr einer Institution alleine übertragen wird. Hayek hatte erkannt, dass die Instabilität des Kreditsystems damit zu tun hat, dass Banken in der Lage sind, durch die Kreditvergabe neues Buchgeld zu schaffen, das jeder Zeit in Banknoten getauscht werden kann. Dieses Versprechen kann aber tatsächlich nur eingehalten werden, wenn der Bankrun nicht stattfindet. Die Voraussetzung dafür ist ein immer engmaschigeres Regulierungs- und Kontrollsystem des Staates über die Banken und eine offene und schleichende Diskriminierung des Bargeldes. Diese Entwicklung ist schon fast zwingend notwendig, wenn das bestehende Geldmonopol des Staates erhalten bleiben soll. Der ehemalige Gründungsvorstand der Landesbank NRW, Bernd Lüthje, hat 2013 geschätzt, dass im Rahmen des Basler Regulierungsprozesses weltweit 110.000 Menschen und eine sechsfache Anzahl von Zuarbeitern in anderen Wirtschaftszweigen (IT, Wirtschaftsprüfer, etc.) beteiligt sind.
Seitdem ist es erkennbar nicht weniger geworden.
Aus dieser Gemengelage heraus bekommen Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum und die vielen anderen eine wachsende Bedeutung. Denn sie sind tatsächlich der erste Großangriff auf das staatliche Geldmonopol, ohne dass Regierungen und Zentralbanken dies verhindern können. Sollte ein Land den Handel mit Bitcoin und Co. verbieten wollen, dann müsste es das Internet abschalten. Das mag in Nordkorea funktionieren, aber sicherlich nicht weltweit. Daher findet aktuell die evolutorische Veränderung des Geldsystems statt. Die Argumente gegen diese Entwicklung sind vielfach sehr statischer Natur. Überweisungen dauerten zu lange, das Schürfen neuer Einheiten verbrauche zu viel Strom oder kriminelle Machenschaften würden darüber finanziert. Alle diese Vorwürfe stimmen und stimmen wiederum nicht. Denn Kryptowährungen sind nicht alle gleich, sondern alle unterschiedlich. Es ist der Wettbewerb der Ideen, der verschiedene Konzepte, Anwendungen und Vorteile zu Tage bringt. Wenn aktuell das Bezahlen mit Bitcoins zu teuer wird und zu lange dauert, werden sich Alternativen bilden. Die Abspaltung durch Bitcoin Cash und Bitcoin Gold sind dafür Beispiele. Sie sind etwas Neues und nicht die Inflationierung des Alten. Vielleicht ist es auch nicht die Blockchain-Technologie, sondern die „Tangle“-Technologie, die bei IOTA benutzt wird, die sich durchsetzt.
Und natürlich werden auch kriminelle Machenschaften mit Kryptowährungen finanziert. Doch immer noch gilt, dass weltweit die meisten kriminellen Machenschaften mit US-Dollar finanziert werden. Niemand käme jedoch auf die Idee, dies dem Dollar anzulasten. Und auch der bei Bitcoin kritisierte Stromverbrauch für das Schürfen neuer Bitcoins wird marktwirtschaftlich gelöst. Wird es zu teuer, kann das etwa einen Innovationsschub bei der Entwicklung leistungsfähiger Computer auslösen – oder ein findiger Kopf entwickelt energieeffizientere Methoden. Knappheit war schon immer der Hauptmotor des Fortschritts.
Doch eines ist schon heute klar: der klassische Ideenwettbewerb, der die Marktwirtschaft gegenüber anderen Wirtschaftssystemen so überlegen macht, führt zu Fortschritt und Wohlstand. Zudem ist das wettbewerbliche System auch die Grundlage gesellschaftlicher Freiheit. Und private Alternativen zum staatlichen Geldmonopol sind die praktischen Voraussetzungen dafür, dass sich Menschen staatlichen Übergriffen entziehen können – das wissen gerade Menschen in Ländern wie Venezuela.
Ob der klassische Ideenwettbewerb uns in Deutschland nützt, hängt auch von den Rahmenbedingungen ab. Deutschland war 2013, was die steuerlichen und regulatorischen Bedingungen für Kryptowährungen anbelangt, viel weiter als heute. Damals hatte die Regierung Bitcoin als Devisen vergleichbare Verrechnungseinheiten, die anders als Devisen, nicht auf gesetzliche Zahlungsmittel lauten, definiert. Die steuerliche Behandlung wurde ebenfalls im ersten Schritt geklärt, indem private Verkäufe als Veräußerungsgeschäfte (§23, Abs. 1, Satz 1, Nr. 2 EStG) eingeordnet wurden und damit nach einem Jahr steuerfrei wurden. Viele weitere Fragen sind bis heute ungeklärt. Nach fünf Jahren versteckt sich die Regierung immer noch hinter nicht abgeschlossenen Abstimmungsgesprächen mit den Oberfinanzbehörden der Länder, hinter Einzelfallentscheidungen der BaFin oder verweist auf die Gerichte. So kann man es auch machen, wenn man den Zug verpassen will.
Zuerst erschienen in der Börsen-Zeitung