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Wahrscheinlich wenige Ökonomen haben derzeit das Potential, eine Renaissance zu erleben wie Ludwig von Mises (1881-1973). Er hat Anfang des letzten Jahrhunderts den Begriff der Interventionsspirale geprägt. Damit beschrieb er die Folgen von Eingriffen des Staates in den Marktmechanismus. Seine These war, dass jeder staatliche Eingriff, sei er noch so gut gemeint, Folgen an anderer Stelle mit sich bringt, die den Regierenden nicht bekannt sind, die aber zu weiteren Eingriffen führen, um die negativen Folgen der ursprünglichen Intervention zu bekämpfen. Daraus entstehen dann immer mehr und größere staatliche Eingriffe – eben eine Interventionsspirale. Ludwig von Mises sah darin den schleichenden Weg in den Sozialismus.
Staatliche Eingriffe sind wieder an der Tagesordnung. Der Traum von der Allmacht politischen Handels wächst. Wohl die größte Intervention des Staates erfolgt durch die Notenbank. Seit mindestens 10 Jahren interveniert die EZB in den wichtigsten Preismechanismus überhaupt, den des Zinses. Damit bestimmt die Notenbank über die Rentabilität von Investitionen. In einer Nullzinsphase, die wir lange hatten, haben sich Investitionen gelohnt, die sich unter normalen Zinsbedingungen nicht gerechnet hätten. Sie wären gar nicht getätigt worden. Steigen die von der Notenbank beeinflussten Zinsen jedoch, dann brechen kreditfinanzierte Investitionen in sich zusammen. Sie werden nicht vollendet, Unternehmen gehen pleite und verschwinden. Letzteres gehört durchaus zum Kapitalismus. Ist der Zins jedoch durch die Notenbank manipuliert, dann werden Korrekturphasen in einer Volkswirtschaft hinausgeschoben und das individuelle Problem des Unternehmers wird zu einem systemischen Problem einer ganzen Volkswirtschaft. Die Dotcom-Blase Anfang der 2000er Jahre, die Bankenkrise 2008 und die Staatsschuldenkrise 2011 waren dafür Beispiele. Seit der Staatsschuldenkrise hat die EZB mit über 4,5 Billionen Euro neue Schulden aufgekauft und die Finanzierungsfähigkeit von Staaten, Banken, Unternehmen und Privathaushalten durch Geld aus dem Nichts gesichert. Die expansive Geldpolitik der EZB ließ jedes Problem lösbar erscheinen. Die Lieferengpässe durch die Corona-Pandemie und der Energiepreisanstieg durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine lassen den Geldüberhang auf ein geringeres Warenangebot treffen. Die Inflation auf breiter Front ist die Folge. Aktuell liegt die Inflationsrate bei 10 Prozent. Bleibt sie auf diesem Niveau, dann sinkt der Wert des Euro innerhalb von sieben Jahren auf die Hälfte.
Wir erlebten seit dem Beginn der Corona-Pandemie, dass fast alles gerettet wurde. Die Lufthansa wurde stabilisiert, die Gastronomie subventioniert und die wirtschaftlichen Folgen der Lockdowns und die Pandemiebeschränkungen mit neuen Schulden finanziert. Jetzt kommen die Folgen des russischen Angriffskrieges auf Ukraine hinzu. Die Zeitenwende zeigt uns die Verletzlichkeit unserer Energieversorgung und die schlechte Ausstattung der Bundeswehr. Auch hier werden Sondervermögen und Abwehrschirme mit neuen Schulden geschaffen.
Die Eingriffe in den Energiemarkt waren vor der Krise schon hoch, jetzt werden sie auf ein ganz neues Niveau gehoben. Natürlich muss man in dieser Situation immer nach den Alternativen fragen, insbesondere in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Aber in jeder Krise werden lediglich die kurzfristigen Auswirkungen betrachtet und nicht das große Bild. Das politisch kurzfristige Handeln ist Teil des Problems. Es ist die Ursache der Interventionsspirale. Es werden die Folgen ausgeblendet, weil man das aktuelle Problem lösen will.
Das heutige Strompreisproblem hat in erster Linie natürlich mit der Abhängigkeit von russischem Gas zu tun. Aber warum sind wir eigentlich von russischem Gas derart abhängig? Das hat mit politischen Entscheidungen zu tun, die mit einem ehemaligen Bundeskanzler und einer Bundeskanzlerin zu tun haben. Aber auch mit der Intervention in den Strommarkt. Der Einspeisevorrang erneuerbarer Energien aus Wind und Sonne und der Abbau von grundlastfähigen Kohle- und Kernkraftwerken haben es zwingend erforderlich gemacht, schnell hochlaufende Gaskraftwerke in Reserve zu halten.
Unter diesem Regime konnte das so genannte Merit Order-System in der Europäischen Union erst Rechtskraft erlangen. Heute wissen wir, dass das teuerste Grenz-Gaskraftwerk den Preis am Strommarkt bestimmt. Es war töricht, dass sich Deutschland insgesamt von russischem Gas in dieser Art und Weise abhängig gemacht hat. Doch letztlich war dies eine Folge des Einspeisevorrangs regenerativer Energien, die nicht jederzeit Strom erzeugen und deshalb durch Gaskraftwerke gestützt werden müssen. Was folgt daraus?
Sicherlich das, was Friedrich August von Hayek mit dem Bild der „Anmaßung von Wissen“ gemeint hat. Niemand hat die umfassenden Informationen, die sich in der Marktwirtschaft im Markt herausbildet. Diese Überlegenheit des Kapitalismus über den Sozialismus ist das, was unser Wirtschaftssystem so viel besser macht gegenüber einer zentralen Planwirtschaft. In der Marktwirtschaft wird auch geplant, auch über viele Jahre hinweg. Es sind aber individuelle Pläne, die individuell erfolgreich sind, teilweise korrigiert werden oder auch gänzlich scheitern. Es findet ein Entdeckungsverfahren statt, das von Versuch und Irrtum im Kleinen lebt. Es gibt in der auf privatem Eigentum basierenden Marktwirtschaft keine Großversuche. Großversuche gibt es nur in der zentralen Planwirtschaft. Dort sind sie systemimmanent. Dort glauben Politiker, Regierungschefs und Apparate, dass man umfassend steuern kann, wann, wo und in welcher Menge und Qualität Produkte und Dienstleistungen erbracht werden können. Die deutsche Energiewende ist so ein Großversuch, der jetzt scheitert, weil die zentrale Planwirtschaft immer scheitert.
Dieser Artikel erschien zuerst bei Prometheus – Das Freiheitsinstitut