Inflation ist Diebstahl. Das perfide an ihr ist, dass der Dieb nicht direkt ins Haus einbricht und das teure Gemälde mitgehen lässt, sondern er sitzt im fernen Frankfurt und druckt Geld. Der Staat ist daran schuld. Inflation hat ihre Ursache in der expansiven Geldpolitik der Notenbanken. In der Eurozone ist die Menge an Bargeld und Sichteinlagen (M1) in den letzten Jahren um über 10 Prozent pro Jahr gestiegen. Und auch die breitere Geldmenge (M3), die auch Kredite und andere Geldmengenaggregate berücksichtigt, ist im Durchschnitt pro Jahr um über 5 Prozent gestiegen.
Wer die Möglichkeit hat, die Geldmenge zu bestimmen oder zu beeinflussen, schafft die Grundlage für Preissteigerungen. Bislang konnte sich Mario Draghi im EZB-Turm noch rausreden. Seine Zielmarke für die Inflation war lange Zeit weit weg von den von ihm angestrebten zwei Prozent. Jetzt lag sie nach langer Zeit in Deutschland im Februar darüber – bei 2,2 Prozent. Die Grundlage hat die EZB seit vielen Monaten selbst geschaffen. Ihre Nullzinspolitik und ihr Schuldenaufkaufprogramm spülten Geld aus dem Nichts in die Märkte. Damit schuf sie die Basis für diesen Preisanstieg, der zuerst bei den Immobilien- und Aktienmärkten ankam und jetzt auch bei den Konsumgütern. Zwar definiert das Statistische Bundesamt die Inflation als „die durchschnittliche Preisentwicklung aller Waren und Dienstleistungen, die von privaten Haushalten für Konsumzwecke gekauft werden“, doch mit dieser Art von Statistik ist es so eine Sache.
Es gibt nicht den Durchschnittskonsumenten, die Durchschnittsfamilie oder den Durchschnittsstudenten. Jeder ist anders. Aber nicht nur das. Viel entscheidender ist die Tatsache, dass die Geldmengenveränderung nicht alle zum gleichen Zeitpunkt erreicht, sondern einige früher und einige später. Deshalb ist jeder Veränderung durch die Geldpolitik der Notenbanken ein Eingriff in das Handeln einzelner und das hat Folgen für Sparer, Investoren, Steuerzahler, Konsumenten, Unternehmer, Politiker, Rentner, Schüler und Studenten, Banker, Arbeitnehmer, Beamte und alle anderen am Gesellschaftsleben beteiligten.
Dieser Sachverhalt ist nicht neu. Bereits der irische Ökonom Richard Cantillon (1680-1734) untersuchte die Folgen einer Veränderung der Geldmenge für die Marktteilnehmer. Cantillon beschreibt, welche Auswirkungen eine Geldmengenerhöhung auf die Geldhalter hat. Keineswegs ist dieser Vorgang – die Inflation – für alle Geldhalter gleichermaßen von Vorteil. Es profitieren besonders diejenigen, die das frische Geld zuerst erhalten. Insbesondere der Staat und die Geschäftsbanken ziehen den Nutzen aus der Geldmengenerhöhung, zu Lasten der Bürger. Heute gilt das immer noch. Finanzminister Schäuble muss fast keine Zinsen mehr für seine Schulden bezahlen und marode Banken können sich immer noch über Wasser halten. Cantillon lebte in Zeiten des Goldstandards, in der die Geldschöpfung nur durch eine stärkere Förderung von Gold in Goldminen oder durch Entdeckung und Raub von Gold möglich war. Heute ist die fast unbegrenzte Geldschöpfung durch Kreditvergabe der Banken aus dem Nichts möglich.
Was vielfach nicht beachtet wird, ist, dass dadurch eine schleichende Umverteilung von arm zu reich stattfindet. Diejenigen, die in den letzten Jahren in Vermögenswerte wie Aktien und Immobilien investieren konnten, haben tendenziell profitiert. Diejenigen, die das nicht konnten, müssen jetzt mit steigenden Preisen bei den Konsumgütern dafür bezahlen. Draghis Eingriff in den Preismechanismus unserer Marktwirtschaft enteignet die kleinen Sparer und läßt dem normalen Konsumenten immer weniger von seinem Einkommen. Leider ist Draghi kein Einzeltäter. Die Geschichte staatlichen Umgangs mit Geld ist bekanntlich eine Geschichte von unablässigem Lug und Trug.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Tichys Einblick.