(Foto: Bankenverband – Bundesverband deutscher Banken: Europäische Zentralbank; CC0 1.0 Universal (CC0 1.0) auf Flickr)
Über die Fragen, wie aussagekräftig europäische Bankenstresstets sind und wie gefährlich die Lage etwa für und durch die Geldhäuser in Italien ist, sprach FDP-Finanzexperte Frank Schäffler mit dem Deutschlandfunk: https://bit.ly/2OjL9h1
Sandra Schulz: Zehn Jahre liegt der Ausbruch der Banken- und Finanzkrise zurück. Mitte September 2008 brach die US-Investmentbank Lehmann Brothers zusammen und stürzte die gesamte Finanzwelt in die Krise. Ein solcher Einbruch soll und sollte sich nicht wiederholen. Eine der Lehren und Konsequenzen war darum, dass europäische Banken regelmäßig auf ihre Krisenfestigkeit geprüft werden in sogenannten Stresstests. Am Abend will die EU-Bankenbehörde EBA die Ergebnisse ihres jüngsten Checks veröffentlichen. Besonders im Fokus steht Italien.
Am Telefon ist jetzt Frank Schäffler, für die FDP Mitglied im Finanzausschuss, und in der Griechenlandkrise war er einer der schärfsten Kritiker der europäischen Rettungspolitik. Schönen guten Morgen!
Frank Schäffler: Guten Morgen, Frau Schulz!
Schulz: Wenn wir noch mal den Schritt zurückmachen und auf das große Ganze schauen: offiziell durchfallen kann man ja bei diesem Stresstest überhaupt nicht. Wie aussagekräftig ist er?
Schäffler: Er ist nicht besonders aussagekräftig. Das ist ja nicht der erste Stresstest, sondern es gab ja schon eine ganze Reihe. Die haben immer die wesentlichen Probleme ausgeblendet, diese Stresstests, nämlich die Niedrigzinspolitik der EZB. Die sorgt dafür, dass die Banken immer in stärkere Schwierigkeiten geraten, und die Probleme in den südeuropäischen Ländern werden nicht gelöst. Das sieht man ja jetzt an Italien: Italien hat ganz ernste Probleme, wahrscheinlich sind die Probleme größer als 2010 in Griechenland.
Schulz: Ja, auf Italien würde ich auch gerne noch genauer schauen, aber bleiben wir mal in Deutschland, weil das ja auch interessante Fragen sind. Wie groß ist da Ihre Sorge um die Deutsche Bank?
Schäffler: Na ja, die deutschen Banken, so will ich es mal sagen, haben natürlich auch ein Stück weit Probleme. Deshalb sage ich ja, die Niedrigzinspolitik belastet die Banken generell. Sie haben eh ein Problem, dass sie, sage ich mal, auf der Zinsseite nichts mehr verdienen, im klassischen Bankgeschäft immer weniger verdienen und gleichzeitig auch den Strukturwandel im Bankensektor bewältigen müssen, und das mit immer mehr Bürokratie. Das ist natürlich ein Riesenproblem, und da ist nicht nur die Deutsche Bank gefragt, sondern die Commerzbank ist ja nach wie vor unter staatlichem Eigentum, und man liest ja auch, dass die NordLB nicht besonders gut abschneiden wird bei diesem Stresstest. Also der Bankwert in Deutschland ist natürlich auch sehr anfällig.
Schulz: Die Deutsche Bank, die ist ja sogar beim Stresstest der US-Notenbank, da ist sie ja sogar durchgefallen jetzt im Sommer, aber ich verstehe Sie richtig, das ist alles Schuld der EZB.
Schäffler: Ja, ich würde sagen, im Wesentlichen ist es das Problem des Verschleppens der Reform in den Südländern, und das hat im Wesentlichen eben mit der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank zu tun.
Schulz: Wobei die Fed das ja ein bisschen anders sieht, Herr Schäffler, die spricht von weitreichenden und bedenklichen Mängeln bei der Kapitalplanung der Deutschen Bank. Also das klingt eigentlich eher nach Managementfehlern beim Bankinstitut selbst.
Schäffler: Natürlich, das kommt natürlich zusammen. Die Deutsche Bank war ja zu Beginn der Finanzkrise noch der Star unter den europäischen Banken, und sie hat natürlich durch zahlreiche Fehler auch am Ende dafür gesorgt, dass sie heute dasteht, wo sie steht, aber sie ist nur ein Spiegelbild des europäischen Bankensektors und ist jetzt nicht ein Unikum.
Schulz: Die NordLB, die haben Sie gerade schon angesprochen. Von den deutschen Banken soll die ja besonders schlecht abschneiden. Da ist jetzt die Idee in der Welt von einer Fusion der Landesbanken. Wie sehen Sie das?
Schäffler: Das hielte ich, ehrlich gesagt, für eine ziemliche Katastrophe, wenn das passieren würde. Es wird keiner gesund dadurch, dass man zwei Humpelnde zusammenfasst und sie zu einem neuen Institut zusammenfasst. Damit würde man eigentlich die Risiken für den Steuerzahler noch ganz erheblich erhöhen. Ich glaube, die Lehre aus der Landesbankkrise, die wir ja auch 2010 und 2009 schon hatten, das zeigt eigentlich, dass wir nicht immer größere Institute schaffen müssen, für die im Zweifel der Steuerzahler haftet, sondern dass wir schauen sollten, dass die Eigentümer diese Banken rekapitalisieren sollen oder gegebenenfalls, dass sie auch verkauft werden müssen. Das steht ja auch zur Diskussion, und da darf man nicht an Ländergrenzen Halt machen, sondern da darf man durchaus auch international Investoren zum Zuge kommen lassen.
Schulz: Okay, aber wenn Sie gegen die Fusion sind, dann doch lieber mehr Banken mit mehr Verwaltungen und mit mehr Managern, das ist die Linie da der FDP, verstehe ich das richtig?
Schäffler: Also die Linie ist, dass nicht die Landesbanken jetzt eine Megalandesbank schaffen sollten und dadurch erheblich die Risiken für den Steuerzahler erhöhen sollten. Das ist aus meiner Sicht die richtige Vorgehensweise. Wir sollten nicht dem Versuch unterliegen, als Staat Banker spielen zu wollen.
Schulz: Jetzt gucken viele – Sie haben das eben auch schon angesprochen – vor diesem Stresstest natürlich speziell auf die italienischen Banken. Was ist da Ihre Erwartung?
Schäffler: Ja, ich glaube, das Spiegelbild der italienischen Banken ist natürlich die ökonomische Entwicklung in Italien, und die ist seit Eintritt in den Euroraum katastrophal. Sie ist wahrscheinlich schlechter als in Griechenland zum Ausbruch der Krise. Die Arbeitslosigkeit ist höher, die Staatsverschuldung ist höher, und es gibt keinen Ansatz, dass sich das ändert, und das hat natürlich Auswirkungen auf den Bankensektor. Wenn Sie kein Wirtschaftswachstum in einem Land haben, sondern nach wie vor unterhalb des 2008-Krisenjahres sind, was Ihre Wirtschaftsleistung betrifft, dann bricht das irgendwann mal auf und auseinander. Deshalb muss man mit großer Sorge nach Italien schauen.
Schulz: Ich höre bei Ihnen jetzt wieder diesen Zungenschlag anklingen, wir sparsamen Deutschen müssen da einspringen, damit der Süden ein süßes Leben hat. Jetzt ist es ja so, 2017 hat Italien sein bestes Exportergebnis aller Zeiten überhaupt. Beim Handelsbilanzüberschuss liegt Italien in Europa auf Platz drei hinter Deutschland und Niederlanden. Also in puncto Wettbewerbsfähigkeit überhaupt nicht mit Griechenland zu vergleichen. Was ist damit gewonnen, jetzt wieder oder neue Ressentiments gegen Italien anzufachen?
Schäffler: Das sind keine Ressentiments, sondern das sind objektive Daten. Wenn Sie schauen, dass die Lohnstückkosten um 50 Prozent seit Einführung des Euros in Italien gestiegen sind, in Deutschland nur um die Hälfte, wenn Sie sehen, dass die Verschuldung exorbitant gestiegen ist, historisch noch nie so hoch war, wenn Sie allein in die Automobilindustrie in Italien schauen, dann produzieren die eine Stückzahl auf dem Niveau der frühen 60er-Jahre des letzten Jahrhunderts. Das ist nicht schwarzgemalt, sondern das ist die Realität, und die Realität zeigen ja auch die Ratingagenturen, die Italien heruntergestuft haben, eine Stufe vor Schrottniveau. Das zeigt, dass man jetzt handeln muss und dass man …
Schulz: Ja, und was ist der Vorschlag, was Europa machen soll, wenn Italien da jetzt weiter seinen Kurs fährt, was eine demokratische Regierung in Europa ja durchaus auch tun darf?
Schäffler: Wir müssen Italien im Zweifel verklagen. Wir müssen deutlich machen, dass die Rechtsverstöße, die die italienische Regierung jetzt auf offener Bühne macht, dass die nicht von der Staatengemeinschaft toleriert werden. Wissen Sie, wir haben 2012 einen europäischen Stabilitätsmechanismus geschaffen, dessen Bedingung war, dass gleichzeitig die Länder einen Fiskalvertrag unterschreiben und in ihren Verfassungen ein Schuldenverbot hinterlegen. Das sind zwei Seiten einer Medaille gewesen damals. Dem ESM sind alle beigetreten. Den Fiskalvertrag haben auch alle niedergeschrieben, aber Italien hält sich jetzt nicht daran. Das ist ein glatter Vertragsbruch, und die Frage ist, ob wir auf so einer Grundlage jetzt einfach beide Augen zudrücken und sagen, das lassen wir weiter so laufen in der Hoffnung, dass alles gut wird. Ich glaube, wenn man so weiter vorgeht, wird nicht alles gut, sondern dann erleben wir den ungeordneten Austritt Italiens aus der Währungsunion, und das sollten wir nicht zumindest ungeordnet einfach so zulassen.
Schulz: Die Meinung von Frank Schäffler – entschuldigen Sie für das brüske Ende –, Frank Schäffler, FDP-Finanzpolitiker heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk. Danke dafür!
Schäffler: Danke auch!