Bild: Pexels Pictures Free Bitcoin
Das Interview erschien exklusiv bei Bitcoin Blog.
Frank Schäffler von der FDP beschäftigt sich seit Jahren mit Bitcoin und anderen Kryptowährungen. Im Interview erzählt er, wie er zu Bitcoin kam, was er sich von Kryptowährungen verspricht und warum er die Politik der Bundesregierung zum Thema kritisiert.
Wenn man in Deutschland an einen Politiker denkt, der sich mit Bitcoin beschäftigt, ist die Auswahl nicht so groß. Es gibt Frank Schäffler und dann vor allem noch Frank Schäffler.
Der FDP-Politiker kümmert sich schon seit 2013 um Bitcoin. Seine Anfragen an die Regierung tragen seit Jahren dazu bei, deren Pläne hinsichtlich Kryptowährungen an die Öffentlichkeit zu bringen und Bitcoin überhaupt erst zum Thema zu machen.
Da das Bitcoinblog.de politisch neutral ist, meiden wir eigentlich Interviews mit Politikern, sofern diese nicht der Klärung einer bestimmten Sache dienen. Bei Frank Schäffler machen wir eine Ausnahme – und interviewen ihn eher als Bitcoiner denn als Politiker.
Hallo Herr Schäffler, freut mich! Sie sind ja schon ziemlich lange an Bitcoin dran. Ich glaube, Sie waren das schon, als ich Mitte 2013 auf dem Blog begann. Wie kamen Sie zu Bitcoin, und was hat Ihr Interesse geweckt?
Mein Interesse hat Friedrich August von Hayek geweckt, der 1976 ein Buch zur Denationalisierung des Geldes geschrieben hat. Das habe ich 2008 oder 2009 gelesen, als die Finanzkrise noch brandaktuell war, und mir dabei gedacht: Bitcoin ist ja exakt die Idee, die Hayek vor fast 40 Jahren mit dem Wettbewerb der Währungen beschrieben hat.
Dann habe ich Oliver Flaskämper von Bitcoin.de kennengelernt, einige Monate bevor der Marktplatz im September 2011 live ging. Er hat mir mehr über Bitcoin erzählt und ich ihm über Hayek und dessen Ideen. Ich denke, so konnten wir uns gegenseitig etwas beibringen.
Seitdem sind ein paar Jahre vergangen, und aus dem Ein-Paar-Euro-Bitcoin wurde heute eine Ökonomie mit einem Wert von mehr als einer Billion Euro. Hätten Sie damals gedacht, dass es einmal so weit kommen würde?
Ehrlich gesagt, nein. Mir war nicht klar, dass sich Bitcoin dauerhaft durchsetzen würde. Meine Überlegung war damals lediglich, dass wir einen Wettbewerb des Geldes erhalten würden. Was sich dabei durchsetzen würde, Bitcoin oder etwas, das danach kommt, ahnte ich ja nicht. Nun zeigt sich, dass der frühere Start ein erheblicher Wettbewerbsvorteil war: Wir lernen, was für ein hohes Gut Vertrauen ist.
Wird Bitcoin ein breit benutztes Zahlungsmittel werden, oder denken Sie, er wird das digitale Gold bleiben, das er derzeit eher ist?
Ich denke, wir definieren Geld zu sehr als eierlegende Wollmilchsau: Geld muss Zahlungen können und Werte aufbewahren und mehr. Davon müssen wir uns ein wenig lösen. Geld im 21. Jahrhundert hat vielleicht nicht mehr alle Funktionen auf einmal. Das eine Geld ist ein Wertaufbewahrungsmittel, das andere ein alltägliches Zahlungsmittel, und das nächste wird für grenzübergreifende Überweisungen verwendet. Wir sollten zulassen, dass die Währungswelt sich weiter auffächert.
Bitcoin ist derzeit ein digitales Gold, aber nicht nur das. Er eignet sich auch für internationale Zahlungen, etwa außerhalb Europas. Neulich musste ich etwas nach Neuseeland überweisen, einen kleinen Betrag, und die Bank hat Gebühren von 30 Prozent verlangt. Die Empfängerin hatte keine Wallet, daher konnte ich kein Bitcoin verwenden. Aber mir wurde wieder klar, wie schwach unser Geldsystem sein kann und welchen großen Bedarf es für Veränderungen gibt.
Denken Sie, dass andere Kryptowährungen als Bitcoin einen Einfluss haben werden, und dass die Blockchain-Technologie das Geldwesen verändern wird?
Ich denke, die Blockchain wird nicht nur das Geldsystem verändern, sondern viel mehr. Eine große Chance sehe ich bei Entwicklungsländern, etwa bei Registern für Eigentum und Land. Die Blockchain kann helfen, Verträge nachzuweisen und zu dokumentieren, was für viele Schwellenländer ein Quantensprung sein kann.
Aber auch für entwickelte Industrienationen wie Deutschland gibt es Potenzial. Zum Beispiel bei Wertpapieren. Wenn man heute Wertpapiere handelt, dann muss die Börse in Frankfurt, genauer gesagt ihr Tochterunternehmen Clearstream, für jede gehandelte Aktie eine Urkunde aufbewahren, physisch, im Keller oder Archiv der Börse. Das ist natürlich antiquiert, und selbst wenn wir es digitalisieren, was man derzeit versucht, haben wir diesen Zentralismus.
Die Blockchain-Technologie kann hier sehr viel bewegen. Ich bin ein großer Fan von Ethereum und den vielen Anwendungen durch Smart Contracts und der dezentralen Finanzen. Das hat für mich eine große Zukunft.
Mit einem Gesetzesentwurf für elektronische Wertpapiere versucht die Regierung derzeit, die Blockchain gesetzesmäßig zu verankern und solche Anwendungen zu ermöglichen. Das ist ein Fortschritt, aber ich habe den Eindruck, dass man die Blockchain-Idee noch nicht verstanden hat – dass es kein Zentrum gibt, sondern sie sich selbst kontrolliert, weshalb man für vieles keinen Überwacher mehr braucht.
Steckt dahinter Unwissen oder Unwille? Viele Überwacher sträuben sich vermutlich dagegen, sich selbst überflüssig zu machen …
Ich vermute, beides. Man hat die Technologie noch nicht ganz verstanden, aber es gibt natürlich auch Marktinteressen. Clearstream will ja nicht das eigene Geschäftsmodell zerstören, was natürlich vollkommen legitim ist.
Wie bewerten Sie die Herangehensweise der Bundesregierung gegenüber Bitcoin und anderen Kryptowährungen? Und was würden Sie anders machen?
In meinen Augen ist sie zu zögerlich. Die derzeitige Koalition hat zwar in den Koalitionsvertrag geschrieben, dass man etwas mit Blockchain machen will. Aber jetzt ist sie ja nur noch bis zum Herbst gewählt und das Parlament tagt nur noch bis zur Sommerpause, und passiert ist – so gut wie überhaupt nichts.
Gab es nicht eine Blockchain-Strategie?
Ja, im Herbst 2019 hat die Regierung eine Blockchain-Strategie vorgelegt, aber eine Strategie ist kein Projekt, sondern besteht nur aus ein paar Seiten Papier. Danach ist für eineinhalb Jahre nichts passiert, und alles, was danach erfolgte, ist dieses kleine Mäuschen mit dem Gesetz zur Einführung von elektronischen Wertpapieren. Mehr nicht.
Sowohl steuerlich als auch regulatorisch hat man vieles versäumt. Mir fallen spontan viele Themen ein. Zum Beispiel, wie geht man steuerlich mit Hardforks um oder mit Mining? Das sind Fragen, die ich schon 2013 gestellt habe, aber die bis heute unbeantwortet geblieben sind.
Woran liegt das?
Die Bundesregierung antwortet immer, sie sei in Abstimmung mit den oberen Finanzbehörden der Länder, und diese Abstimmung dauere eben noch an. Man scheut noch immer einen klaren Kurs, zum einen, weil man das Ganze noch nicht durchdrungen hat und zum anderen, weil das Know-How in den Behörden fehlt und man meint, die Fragestellung sei nicht so bedeutend. Aber das ist längst nicht mehr so.
Mir kam es vor, als sei die Regierung erst richtig wach geworden, als Facebook Libra bzw. heute Diem vorgestellt hat. Warum war das so? Libra kam mir immer vor wie eine zahme Version von Bitcoin, ein Kätzchen anstatt ein Tiger. Warum hat Facebook so viel Wirbel gemacht, dass sich plötzlich sogar unser Finanzminister Olaf Scholz dazu äußern musste?
Libra hat die Politik aufgeschreckt. Bitcoin konnte sie belächeln, aber mit Facebook kam ein Player auf den Markt, der Milliarden Kunden hat, und dem traute man eben zu, den klassischen staatlichen Fiatwährungen Konkurrenz zu machen. Gleichzeitig hat Facebook mit Informationen gegeizt und das hat viele Kritiker auf den Plan gerufen, die sich zunächst stur gestellt haben.
Mittlerweile gibt es einen Gesetzentwurf auf europäischer Ebene zu Stablecoins. Die Hürden sind dabei so hoch gesetzt, dass es aus meiner Sicht in Europa keinen starken Stablecoin geben wird.
Wieso positioniert sich außer Ihnen eigentlich kaum jemand in der FDP so deutlich zu Bitcoin und Kryptowährungen?
Ich bin zuversichtlich, dass wir das Thema besser abdecken als alle anderen Parteien. Wir sind 80 Abgeordnete und teilen uns die Arbeit. Ich bin für Kryptowährungen zuversichtlich, und ich kenne niemanden, der bei uns besser dafür geeignet ist (lacht). Aber auch Parteikollegen, etwa der technologiepolitische Sprecher Mario Brandenburg, sind sehr offen für Kryptowährungen.
Kryptowährungen und Blockchain gehören zu unseren aktivsten Themen. Wir haben schon mehrere Veranstaltungen dazu gemacht, etwa zu Libra oder zu Kryptoassets, im Mai planen wir eine zum digitalen Euro, und wir bringen das Thema durch Anfragen oder Anträge immer wieder in den Bundestag. Schon 2013 hat die Regierung als Antwort auf eine Anfrage von mir klargestellt, dass Bitcoins Finanzinstrumente und privates Geld sind. Das war damals eine kleine Sensation.
Wie würden Sie Stellung und Programm der FDP zu Kryptowährungen beschreiben?
Sehr freundlich. Wir sind sehr aufgeschlossen. Wir glauben, dass der Geldwettbewerb einen Beitrag zur Finanzstabilität leisten kann, ganz im Hayekschen Sinne, und dass die Blockchain-Technologie, man sagt auch DLT, in verschiedensten Anwendungsfeldern ein Quantensprung sein kann – das Internet 3.0.
Meinen Sie, die deutsche Krypto-Branche leidet darunter, überreguliert zu sein?
Jein. Wir haben ja eine Reihe von Unternehmen, neben Bitcoin.de auch Bitwala oder Bison von der Stuttgarter Börse. Aber wie leicht ist es für neue Unternehmen, in diesen Markt einzudringen? Ich denke, das ist sehr schwer, weil die BaFin die Hand darauf hält und die Daumenschrauben anzieht. Sie brauchen im Kern eine Banklizenz, um etwas machen zu können, was immer einen riesigen administrativen Aufwand nach sich zieht.
Für Startups ist das kein freundlicher Boden – und das, obwohl wir ideale Voraussetzungen haben. In Berlin gibt es eine riesige Community, etwa um Ethereum, und wir haben in der Hauptstadt ein starkes Know-How. Aber die Unternehmen, die daraus entstehen, sind dann meistens nicht in Deutschland. Das ist für mich ärgerlich, und wir haben alle ein Interesse daran, das zu ändern.
Wie könnte sich das ändern?
Man muss ein steuerliches und regulatorisches Umfeld schaffen, das Unternehmen einlädt, anstatt sie zu vertreiben. Wenn wichtige steuerliche Fragen ungeklärt sind, wird vieles schwierig; man gründet nicht gerne in einem Land, in dem man sich mit der Finanzverwaltung herumstreiten muss, sondern eher in einem wie der Schweiz, wo man sich mit ihr einigen kann. Und die Aufsicht, der fehlt es weiterhin an Know-How, um sinnvoll antworten zu können, wenn ein Unternehmen fragt, was zu beachten ist. Sie kann es inzwischen erheblich besser, aber wir haben 2021, und die anderen Länder waren da schneller. Entscheidend wäre, dass man die Chancen sieht, und versucht, die rechtlichen Hürden abzubauen.
Derzeit erleben wir ja eine beispiellos expansive Geldpolitik der EZB im Umgang mit der Corona-Krise. Meinen Sie, das war notwendig? Oder werden die Schäden die Vorteile bald überschatten?
Viele Schäden sind schon sichtbar: die Nullzinspolitik vernichtet das Sparvermögen vieler Menschen, die in klassische Altersvorsorgeprodukte investiert haben, etwa Rentenversicherungen, Bausparversicherungen oder Sparbücher. Zudem werden Unternehmen und Privatpersonen in Kredite getrieben, weil diese so günstig sind, was zu Fehlinvestitionen und Fehlallokationen führt. Das Geld wird anders verwendet, als es zu Marktbedingungen verwendet werden würde, und das führt zu Blasen an den Gütermarken, bei Aktien, Immobilien und vielleicht auch bei Krypto-Assets.
Hätte es eine Alternative gegeben?
Das große Problem ist, dass wir mit dieser Politik schon in die Pandemie gegangen sind. Obwohl wir zuvor in einer Wachstumsphase waren, hat die EZB ihre Politik der Niedrigzinsen fortgesetzt. Diese Politik haben wir im Grunde seit der Griechenland-Krise. Jetzt, in der nächsten Krise, kann die EZB nur noch mehr draufpacken, ein gewaltiges Mehr. Das ist ein Experiment, das es noch nie in Friedenszeiten gegeben hat: Die EZB kauft inzwischen sämtliche Neuverschuldungen der Eurostaaten auf, und keiner ärgert sich. Irgendwann werden wir die Grenze erreichen, ab der das Vertrauen in die Währung erst schwindet und dann rasch zerstört sein wird.
Was würde dann passieren?
Das weiß ich nicht, das muss man sehen. Aber wer Kryptowährungen hat, wird vermutlich im Vorteil sein.