Frank Schäffler

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Muss X stärker reguliert werden?

Darüber sprach Frank Schäffler im ZEIT-Streitgespräch mit Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen Bundestagsfraktion. Das Gespräch moderierten Mark Schieritz und Stefan Schirmer.

DIE ZEIT: Donald Trump hat in der Präsidentschaftsdebatte vergangenen Woche gesagt, dass Einwanderer im Bundesstaat Ohio Katzen und Hunde aufessen. Diese Falschmeldung hatte am Tag davor Elon Musk auf seiner Plattform X verbreitet. Wie sollte eine freie Gesellschaft mit Fällen wie diesem umgehen, Herr von Notz?

Konstantin von Notz: Ich mache schon eine ganze Weile Digitalpolitik und habe immer für Redefreiheit und Meinungsfreiheit plädiert, auch wenn Leute behaupten, dass die Erde eine Scheibe ist. Das Problem ist nur: Heute glauben weltweit Millionen Menschen daran, dass die Erde eine Scheibe ist oder Migranten Haustiere essen. Insofern müssen wir schon darüber reden, wie wir damit umgehen, dass diese Konzerne mit ihren Algorithmen unseren Diskurs beeinflussen – auch von Seiten des Gesetzgebers.

Frank Schäffler: Wahr ist aber auch: Wir leben nicht im rechtsfreien Raum. Die Anbieter von sozialen Netzwerken müssen sich heute schon an Recht und Gesetz halten. Deshalb gibt es  das Digitale Dienste Gesetz (DDG), dass den auf europäischer Ebene beschlossenen Digital Services Act auf nationaler Ebene umgesetzt hat.  Damit gibt es Regeln, auch gegen Hassrede. Und ich würde mir, auch beim genannten Beispiel, ein wenig mehr Gelassenheit wünschen. Es weiß doch jeder, dass Donald Trump fake news verbreitet. Da muss man nicht gleich in Panik verfallen.

Von Notz: Panik braucht niemand. Aber wir müssen uns damit auseinandersetzen, dass wir es hier mit gezielten Desinformations-Kampagnen zu tun haben. Wir wissen, dass massiv Geld aus Russland, China, dem Iran und Nordkorea in die sozialen Netzwerke fließt, um unsere Gesellschaften auf digitalem Weg zu spalten. Deshalb brauchen wir Aufsichtsbehörden, die mitbekommen, was da passiert, damit der Staat das notfalls mit Sanktionen unter Kontrolle bekommen kann.

Schäffler: In einem Punkt stimme ich zu: Die Einflussnahme durch ausländische Mächte ist tatsächlich eine Gefahr, vor allem mit Blick auf Russland. Das sehe ich ebenfalls mit großer Sorge, dagegen muss entschlossen vorgegangen werden. Aber ich sehe wirklich nicht, dass von X eine Gefahr für die Demokratie ausgeht. In Deutschland gibt es Grenzen der Meinungsfreiheit, etwa bei nationalsozialistischen Inhalten. Darum sollen sich die Gerichte kümmern. Aber man sollte nicht überreagieren und ständig nach mehr Regulierung und neuen Gesetze rufen. Das geht mir zu weit.

Von Notz: Erst einmal geht es darum, dass die bestehenden Gesetze überhaupt angewendet werden und die Aufsichtsbehörden die dafür nötigen Ressourcen erhalten. Wir verlangen von jedem Lebensmittehersteller, dass er Inhaltsstoffe einer Fertigpizza auf die Packung schreibt. Die gleiche Transparenz erwarte ich auch von den Plattformbetreibern mit Blick auf die verwendeten Algorithmen und ihre Wirkung. Wir sehen doch, wie Hass und Hetze die Öffentlichkeit in fast allen westlichen Industrienationen zunehmend prägen.

Schäffler: Ich bin aber nicht der Meinung, dass die sozialen Medien daran schuld sind. Das sind gesellschaftliche Veränderungsprozesse. Wir müssen aufpassen, dass der Versuch, die Freiheit zu verteidigen, nicht selbst zu einer Quelle der Unfreiheit wird. Diese Gefahr sehe ich, wenn der Staat unternehmerisches Handeln zu sehr einschränkt. Am Ende wollen diese Unternehmen Geld verdienen. Als Liberaler sollte man dann im Diskurs gegenhalten, den eigenen Standpunkt deutlich machen, und nicht gleich mit Sanktionen drohen.

ZEIT: Wäre das die richtige Antwort auf die wachsende Macht der Plattformen mit ihren Falschinformationen, Herr von Notz: Gegenöffentlichkeiten schaffen?

Von Notz: Das ist ein Teil der Strategie, man sollte X nicht Rechtsextremen und russischen Bots überlassen. Deshalb bin auch ich dort unterwegs. Aber Sie stoßen irgendwann an Grenzen, wenn der Algorithmus zum Beispiel rechte und rechtsextreme Inhalte nach oben spült und die Reichweite anderer Stimmen drosselt. Und dieser Vorwurf steht im Fall von Elon Musk im Raum. Unter solchen Bedingungen gibt es keinen offenen Diskurs, und am Ende glauben die Menschen dann wirklich, dass die Erde eine Scheibe ist und Migranten Haustiere essen. Deshalb sind Sanktionen aus meiner Sicht unabdingbar.

Schäffler: Entscheidend ist doch, dass es faire Spielregeln gibt!

Von Notz: Faire Spielregeln würde bedeuten: Mal angenommen, jemand scheibt, dass die Politiker der FDP Hunde und Katzen essen. Dann schreibt die Bundestagsfraktion der FDP, dass das nicht stimmt. Damit wäre die Diskussion wahrscheinlich erledigt. Wenn aber 70.000 Troll-Accounts schreiben, dass Sie und Ihre Kollegen Hund und Katzen essen, Herr Schäffler, dann kriegen Sie das nicht mehr so leicht eingefangen.

Schäffler: Es gibt das Strafgesetzbuch. Gegen üble Nachrede kann man vorgehen.

Von Notz: Wenn es gegen konkrete Personen geht. Wenn jemand ganz allgemein behauptet, dass FDP-Politiker Haustiere essen, dann fällt das unter freie Meinungsäußerung. Dagegen können Sie nicht so leicht vorgehen. Genauso wenig wie wenn jemand schreibt, dass die Grünen das Grillen verbieten wollen.

Schäffler: Es ist doch ein Unterschied, ob ich sage: Die Politiker der FDP essen Haustiere, oder ob ich sage, die Grünen wollen das Grillen verbieten.

Von Notz: Beides stimmt nicht. Mein Punkt ist: In einem Umfeld mit dieser Masse an Troll-Accounts kann keine Gegenöffentlichkeit erzeugt werden. Was erzeugt wird ist eine Scheinöffentlichkeit. Und das zersetzt die Demokratie.

Schäffler: Aus meiner Sicht dramatisieren Sie das Problem, Herr von Notz. Ich glaube nicht, dass vernunftbegabte Menschen alles glauben, was auf X steht.

ZEIT: Elon Musk unterstützt offen Donald Trump. Ist es ein Problem, wenn sich der Eigentümer einer Plattform wie X so eindeutig politisch positioniert?

Schäffler: Ich halte das für zulässig. Er macht das ja transparent. Es gab und gibt auch in Deutschland Zeitungsverleger, die sich politisch positionieren. Es gibt sogar einen großen  Zeitungsverbund, an dem die SPD wirtschaftlich beteiligt ist. Das akzeptieren wir auch.  Ob sich das im Fall von Elon Musk ökonomisch auszahlt, ist eine andere Frage. Aus einer kommerziellen Perspektive ist X nicht unbedingt ein Erfolg. Aber das muss Musk entscheiden.

ZEIT: Ist der Unterschied nicht: Wenn mir die politische Haltung einer Zeitung nicht passt, kann ich eine andere lesen. Ich kann aber nicht einfach auf eine andere Plattform wechseln.

Schäffler: Warum nicht, es gibt viele Plattformen.

Von Notz: Ja, aber sie haben für den öffentlichen Diskurs nicht dieselbe Bedeutung. Die meisten Politiker, Wissenschaftler und Journalisten sind eben auf X. Deshalb haben wir es hier durchaus mit einer Art Monopolstellung zu tun, und deshalb darf man das auch nicht einfach dem Markt überlassen. Elon Musk ist – ich sage es mal so – eine schwierige Figur. Und er hat X unter äußerst dubiosen Umständen erworben. Zu den Geldgebern gehören offenbar Personen mit Verbindungen zu russischen Oligarchen. Und wenn diese Plattform für Kampagnen genutzt wird, dann sollten wir das nicht so einfach akzeptieren. So wie wir etwa auch illegale Parteispenden nicht akzeptieren. 

ZEIT: Mal ein konkretes Beispiel aus jüngster Zeit: Bei den rechtsextremen Ausschreitungen im britischen Southport nach der Ermordung von drei Mädchen vor ein paar Wochen spielte X eine große Rolle. Auf der Plattform wurde fälschlicherweise verbreitet, dass der Täter ein illegal eingereister Migrant gewesen sei. Und Musk schrieb dazu: „Ein Bürgerkrieg ist unvermeidlich.“ Muss die Gesellschaft so etwas aushalten? 

Schäffler: Wenn Unwahrheiten verbreitet werden, dann muss das korrigiert werden. Wenn Sie in der ZEIT falsche Nachrichten verbreiten, müssen Sie das auch korrigieren. Notfalls können Sie gerichtlich dazu gezwungen werden.

Notz: Das funktioniert aber auf Plattformen nicht immer. Es gibt Staatsanwaltschaften, die da sehr schnell sind, in anderen dagegen läuft das nicht so gut. Es bleibt in den sozialen Medien oft jahrelang ohne Folgen, wenn man Personen aufs Gröbste beschimpft. Das hat zur Zerrüttung unserer öffentlichen Debatten beigetragen.

ZEIT: Elon Musk hat nach der Übernahme von Twitter zahlreiche Leute entlassen, die für die Moderation zuständige waren, also dafür, dass Hassrede identifiziert und gelöscht wird. Herr Schäffler, stärkt das Ihr Vertrauen in die Plattform?

Schäffler: Das stärkt sicherlich nicht das Vertrauen. Deshalb gehen auch die Werbeeinnahmen zurück. Aber das ist eine unternehmerische Entscheidung: Musk hat Kosten gesenkt. Niemand muss da mitmachen. Aber es gibt auch keinen Grund, ihm das zu verbieten.

Von Notz: Ich führe diese Diskussion mit den großen digitalen Plattformen schon ganz lange. Facebook und Google haben uns schon vor 15 Jahren erzählt: Wir sind ein weltweit tätiges Unternehmen, wir können unmöglich die verschiedenen nationalen Auflagen erfüllen. Das ist viel zu teuer, da brauchen wir Leute, die die Landessprache sprechen. Aber da sage ich: So funktioniert das nicht. Wer in Deutschland Geld verdienen will, muss sich an deutsche Gesetze halten. Und das bedeutet: Ein Unternehmen wie X muss Menschen beschäftigen, die Inhalte checken und das, was illegal ist, konsequent und schnell löschen.

ZEIT: Wo verläuft denn die Grenzen zwischen wehrhafter Demokratie und einem Zensurstaat? Müsste Musk zum Beispiel den Account von Björn Höcke löschen lassen?

Schäffler: Ich habe da einen einfachen Grundsatz: Was offline verboten ist, muss auch online verboten sein. Das heißt umgekehrt: Was offline nicht verboten ist, ist eben auch online nicht verboten. Auch wenn es einem nicht gefällt oder sogar menschenverachtend vorkommt. Wir brauchen da eine Gleichbehandlung. So funktioniert unser Rechtsstaat. Man kann sich schon fragen ob es richtig war, den Account von Donald Trump nach dem Sturm auf das Kapitol zu deaktivieren, wie es vor der Übernahme von X durch Elon Musk geschehen ist.

Von Notz: Die Anbieter sollten gezwungen werden, verfassungsfeindliche Inhalte zu löschen. Wenn Trump, wie nach der letzten Wahl geschehen, einen Umsturz herbeiführen will, dann halte ich es für legitim, dass er auf X keine Bühne mehr erhält. Wir müssen doch einfach erkennen, dass wir uns gegen die Feinde der Demokratie zur Wehr setzen müssen. Sonst haben wir irgendwann keine Demokratie mehr.

ZEIT: Gerade häufen sich die Anzeichen für ein härteres Vorgehen von Staaten gegen Digitalkonzerne. Der Chef von Telegram wurde in Frankreich verhaftet, in Brasilien wurde X abgeschaltet. Halten Sie ein Verbot auch hierzulande für denkbar, Herr Notz?

Von Notz: Das wäre der allerletzte Schritt, so steht es im Gesetz. Ich will aber derzeit keine Verbotsdiskussionen führen. Wir sehen doch gerade an der Milliardenstrafe der EU gegen Google, dass es sehr erfolgsversprechende Möglichkeiten gibt, Recht auch durchzusetzen. Bei massiven Verstößen gegen die gesetzlichen Vorschriften hart zu sanktionieren, das wäre mein Weg.

Schäffler: Das Recht muss durchgesetzt werden, aber was in Brasilien passiert ist, das halte ich für fatal. Wir dürfen auch nicht vergessen: Es gibt immer zwei Seiten. Wenn Plattformen wie Telegram in China verfügbar wären, dann hätte das vielleicht auch positive Folgen. Letztlich ist eine Plattform ja nur ein Instrument, in autoritären Staaten kann sie auch dazu dienen, Freiräume zu erringen, Dinge zum Besseren zu wenden.

ZEIT: Herr von Notz, wann haben Sie sich zuletzt über einen Beitrag auf X gefreut? 

Von Notz: Ich habe heute morgen Ausschnitte aus der Debatte zwischen Harris und Trump noch mal gesehen. Und diese Anfangsszene, wie sie ihm bis zu seinem Pult entgegengekommen ist und ihn praktisch gezwungen hat, dass er ihr die Hand gibt, die fand ich einfach großartig. Ich nutze X häufig, um den Überblick zu bekommen, was in der Welt los ist. 

ZEIT: Worüber haben Sie sich auf X geärgert, Herr Schäffler?

Schaeffler: Ich ärgere mich immer, wenn falsche Dinge über mich behauptet werden. Irgendwann hat jemand geschrieben, ich hätte gesagt, eine Wärmepumpe würde 150.000 Euro kosten. Das war aber nicht korrekt. Die Zahl bezog sich auf den kompletten energetischen Umbau eines Hauses im Bestand. Ich weiß nun wirklich, was eine Wärmepumpe kostet.

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