Rede von Frank Schäffler MdB zu TOP 15 (Drs. 19/2435) der 36. Sitzung des Deutschen Bundestages am 7.6.2018 – „Entwurf eines Gesetzes zur Ausübung von Optionen der EU-Prospektverordnung und zur Anpassung weiterer Finanzmarktgesetze“
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir müssen diese Verordnung in Deutschland umsetzen und haben Optionen, die wir nutzen können. Das werden wir in den entsprechenden Ausschussberatungen und in der Anhörung tun. Ich teile das, was Herr Hauer gesagt hat, dass wir nämlich die Spielräume, die die Verordnung bietet, auch im Sinne der Emittenten und der Anleger nutzen sollten.
Ich möchte das an dieser Stelle aber etwas grundsätzlicher zum Thema machen und meinen Kollegen Otto Fricke zitieren. Er hat gesagt: Die bisherige Verhandlungstaktik der EU überzeugt mich nicht! Das ist auch meine Meinung. Ich glaube, wir sind im Bereich des Anlegerschutzes auf dem falschen Weg.
Ich glaube, wir unterliegen einer Regulierungsillusion. Wenn wir neue Prospekte, neue Broschüren, neue Nachweise verlangen, tun wir so, als ob wir irgendetwas für den Anlegerschutz machen würden. Das halte ich für falsch.
Dieser Tage war ich bei meiner örtlichen Sparkasse und habe mir einmal darstellen lassen, was heutzutage ein Kleinanleger an Informationen auf den Tisch geknallt bekommt, wenn er einen Einmalbeitrag leistet: 180 Seiten Basisinformationen über Wertpapiere und weitere Kapitalanlagen, 30 Seiten Kundeninformationen zum Geschäft mit Wertpapieren und weiteren Finanzinstrumenten, 33 Seiten Basisinformation über Vermögensanlagen in Investmentfonds und zusätzliche Geschäftsbedingungen, Preis- und Leistungsverzeichnisse sowie Datenschutzrichtlinien, Verkaufsprospekte der Investmentgesellschaft. Am Schluss muss er noch eine Geeignetheitsprüfung für Geldanlagen machen. Er muss seine Vermögensverhältnisse darlegen. Er muss sein Einkommen darlegen. Er muss am Ende auch Anlageerfahrung darlegen. In der Summe muss er 400 Seiten durcharbeiten, um einen Einmalbeitrag anlegen zu dürfen. Entscheidet er sich danach, 50 Euro monatlich anzulegen, bekommt er diese 400 Seiten noch einmal auf den Tisch geknallt.
Wir glauben, darüber könnte man Anlegerschutz realisieren. Wir machen das Gegenteil: Wir stärken nicht den Anlegerschutz, sondern wir schwächen den Anlegerschutz damit, weil die Menschen zu Hause bleiben, ihr Geld im Zweifel unters Kopfkissen legen und eben keine sinnvollen Anlagen für das Alter wählen. Das ist unsere Realität. Deshalb, glaube ich, müssen wir im Anlegerschutz neu denken.
Wir müssen im Kern die Rechte der Anleger im Verhältnis zwischen Anleger und den entsprechenden Verkäufern stärken. Gegenüber den Emittenten auf der anderen Seite müssen wir die Rolle des Anlegers in diesem Dreiklang viel stärker herausarbeiten. Daran sollten wir als Deutscher Bundestag arbeiten und nicht einer Regulierungsillusion unterliegen, indem wir glauben, wir hätten damit etwas für den Anlegerschutz getan.
Das, was wir tun, führt am Ende dazu, dass wir damit zufrieden sind, etwas vorgelegt zu haben, und dass die Banken im Zweifel durch ihren Wust an Bürokratie aus der Haftung raus sind. Das ist aber kein Anlegerschutz, sondern das führt dazu, dass die Menschen in ihren Freiheiten eher eingeschränkt sind, zu Hause bleiben und nicht fürs Alter vorsorgen. Deshalb sollten wir alles dafür tun, dass sich diese Richtung ändert. Unabhängig von diesem Gesetz sollten wir stärker für Freiheit in der Anlagepolitik werben.
Vielen Dank