Meine sehr geehrten Damen und Herren,
schon heute ist der Großteil unseres Zahlungsverkehrs digital. Mit der nun möglichen Einführung des digitalen Euros beabsichtigt die EZB, ein digitales Pendant zum Bargeld zu schaffen und öffentlich zugängliches Zentralbankgeld (CBDC) zu digitalisieren. Die EZB strebt dabei vermutlich kein direktes CBDC und somit Konten von Privatpersonen bei ihr an, wie die AfD-Anträge fälschlich behaupten. Viel zu umfangreich wären das technische Risiko und notwendige KYC-Prüfungen. Stattdessen könnten die Konten indirekt von Geschäftsbanken geführt werden, während die EZB regelmäßig die Salden der Großbanken untereinander ausgleicht. Die Einführung eines digitalen Euros, eine Operation an der Geometrie unseres Finanzsystems, muss genau bedacht werden, wird mit ihr doch eine dritte Geldform neben Bar- und Giralgeld im Euroraum eingeführt. Sie kann nicht gelingen, wenn die EZB sich lediglich auf die Erhaltung der monetären Souveränität in der Konkurrenz zu anderen Währungsräumen und privaten Kryptowährungen stützt. Vielmehr muss sie die tatsächlichen Mehrwerte eines Retail-CBDCs für den Endnutzer implementieren. Daran scheitert sie aktuell. Im Euroraum können Endnutzer bereits gebührenfrei und mit fast sofortiger Zahlungsabwicklung Geld transferieren.
Einen Euro-Stablecoin – und in der Handhabung ist dies der digitale Euro für den Endnutzer – bräuchte es dagegen dringender denn je. Global laufen 40 % der SWIFT-Zahlungen und 20 % der Devisenreserven in Euro, aber nur 0,2 % des Stablecoinangebots. Ob im Bereich der Decentralized Finance oder der kommenden Machine-to-Machine-Economy – ein in Smart Contracts implementierbarer Euro-Stablecoin ist notwendig für die Wettbewerbsfähigkeit der Eurozone in der Zukunft. Diesen Bedarf kann und will die EZB nicht abdecken, weil sie eine Disintermediation der Banken befürchten muss. Statt krampfhaft und viel zu spät einen digitalen Euro einzuführen, von 2026 ist die Rede, sollte Europa die Marktbedingungen für einen privat emittierten Euro-Stablecoin schaffen. Zu ihnen gehören höhere Zinsen auf Einlagen und ein risikoabfederndes, aber Startups nicht erwürgendes regulatorisches Rahmenwerk. Ob die bald zu beschließende EU-Verordnung „Markets in Cryptoassets“ so sein wird, bleibt abzuwarten.
Zudem behauptet der AfD-Antrag, dass ein Wholesale-CBDC als Alternative zum von der EZB angestrebten Retail-CBDC untersucht werden muss. Das ist irreführend, weil die beiden Geldvehikel unterschiedliche Nutzertypen abdecken. Während ein Retail-CBDC für Endnutzer und Unternehmen verfügbar ist, dient ein Wholesale-CBDC zum Saldenausgleich im Interbankenmarkt. Das Settlement zwischen Großbanken könnte von Prozessautomatisierungen mittels eines Wholesale-CBDCs profitieren. Zudem wäre die Einführung eines Wholesale-CBDCs eher technischer, denn grundlegender Natur.
Ob Wholesale-CBDC, Retail-CBDC, Stablecoins oder Kryptowährungen — wir stehen vor einer Neuadjustierung unseres Geldsystems. Sie darf nicht dirigistisch von oben kommen, sondern muss im Spiel der Marktkräfte erfolgen.