Frank Schäffler

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Sommerinterview mit Frank Schäffler: „Die Schuldenbremse wird halten“

Photo by Thomas F. Starke, Westfalen-Blatt

Minden. Frank Schäffler aus dem Kreis Minden-Lübbecke ist Bezirksvorsitzender der FDP in Ostwestfalen-Lippe und Bundestagsabgeordneter. Nicht nur in der Finanz- und Haushaltspolitik hat der 53-Jährige etwas zu sagen.

Von Westfalen-Blatt

Herr Schäffler, Sie kritisieren den Entwurf des Infektionsschutzgesetzes, den Ihr Parteifreund Bundesjustizminister Marco Buschmann mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) formuliert hat. Warum kommt da Widerstand aus der FDP-Fraktion?
Frank Schäffler: Die FDP-Bundestagsfraktion ist mehrheitlich nicht zufrieden mit diesem Entwurf. Und ich gehe davon aus und erwarte auch, dass der Entwurf noch vor der Abstimmung im Kabinett am 24. August verändert wird. Denn wenn erstmal etwas im Parlament ist, dann ist es in der Regel relativ schwierig, die Grundrichtung zu korrigieren.

An welchen Stellen sollte der Entwurf aus Ihrer Sicht verändert werden?
Schäffler: An erster Stelle muss dieses dreimonatige Impfintervall gestrichen werden. Das ist inhaltlich falsch und praktisch nicht umsetzbar. Wir haben 65 Millionen Geimpfte in Deutschland, wir werden nicht alle drei Monate 65 Millionen Menschen impfen können. Selbst dann nicht, wenn ausreichend Impfstoff vorhanden wäre. Das ist wirklichkeitsfremd. Ich halte auch die Möglichkeit der Maskenpflicht an Schulen für falsch. Das Sachverständigengutachten kritisiert ganz scharf die Maßnahmen an den Schulen und deren Folgen und spricht von Kollateralschäden für die Gesundheit der Kinder. Und in den möglichen Restriktionen für Handel und Gastronomie erkenne ich einen Rückschritt gegenüber dem, was wir schon einmal erreicht haben – nämlich die Begrenzung harter Maßnahmen auf regionale Hotspots. Dagegen sieht der neue Entwurf vor, auch landesweite Hotspots zu schaffen, obwohl die Lage in Köln ganz anders sein als in Ostwestfalen-Lippe.

Liegt die Bereitschaft des FDP-Bundesjustizministers, härteren Regeln zuzustimmen, möglicherweise daran, dass die FDP bei den Landtagswahlen in diesem Jahr vor allem bei den Wählern über 60 Stimmen verloren hat, also bei der Gruppe, die am meisten Angst vor Corona hat?
Schäffler: Ich glaube nicht, dass das der wesentliche Grund für die etwas schwächeren Ergebnisse bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen ist. Ältere Menschen schätzen die marktwirtschaftliche Orientierung der FDP als Markenkern. Auf diesem Feld müssen wir wieder sichtbarer werden. Und damit hat unser Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner mit dem dritten Entlastungsgesetz begonnen, um der Inflation und der kalten Progression etwas entgegenzusetzen. Keine Steuererhöhungen und das Einhalten der Schuldenbremse – das ist FDP. Bei wachsenden Inflationsraten machen sich die älteren Leute Sorgen um ihr Vermögen, ob klein oder groß, das sie aufgebaut haben und von dem sie im Alter zehren wollen.

Die Ausgestaltung des Bürgergeldes durch SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil sieht so aus, als hätte sich die FDP das so nicht vorgestellt. Passt mehr Geld für Nicht-Arbeiten in diese Zeit?
Schäffler: Nein. Unsere Vorstellung von Bürgergeld ist eine ganz andere. Die FDP ist die erste Partei, die diesen Begriff geprägt hat. Das Konzept haben die Jungen Liberalen schon in den 90er Jahren entwickelt. Im Kern geht es darum, Transfers zu bündeln, damit der Empfänger mehr Freiheiten bei der Verwendung hat und nicht an tausend Stellen etwas beantragen muss. Das Ziel ist es, eigenverantwortlich mit staatlichen Zuwendungen umzugehen, Bürokratie abzubauen und Arbeitsanreize zu schaffen. Das ist nämlich heute das Problem. Wer viele Kinder hat und Sozialhilfe empfängt, der hat finanziell wenig Anreize, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Unser Konzept sieht vor, dass Arbeit zu jedem Zeitpunkt dazu führt, unterm Strich mehr zu haben als die, die zuhause bleiben.

Und das ist im Entwurf für das Bürgergeld noch nicht enthalten?
Schäffler: Nicht mal in Ansätzen. Den Begriff des Bürgergeldes haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, aber die Umsetzung ist jetzt eine sozialdemokratische und keine liberale. Darüber müssen wir mit der SPD verhandeln und einen Kompromiss finden.

Hält die Schuldenbremse 2023?
Schäffler: Ja. Die Schuldenbremse steht im Grundgesetz und muss eingehalten werden, sie ist nicht so einfach zu umgehen. Wer sie ändern will, muss das Grundgesetz ändern. Dafür sehe ich keine politische Mehrheit.

Ist die Schuldenbremse für die FDP die rote Linie oder der Heilige Gral?
Schäffler: Sowohl als auch. Das ist unsere Bedingung für diese Koalition. Unser Ziel ist es, diese Regierung nicht nach links abdriften zu lassen. Die FDP dient dazu, die Ampel in der Mitte zu halten.

Zeugen die Umfragen davon, dass es der FDP noch nicht gelungen ist, diese Regierung ausreichend in die Mitte zu rücken?
Schäffler: Das ist eine Daueraufgabe, die nicht endet, wenn man einen Teilerfolg erzielt hat. Bislang haben wir die Erfolge der FDP in dieser Regierung zu wenig deutlich gemacht. Es gibt keine Steuererhöhungen, und wir werden im Haushaltsjahr 2023 die Schuldenbremse wieder einhalten. All die linken Wolkenkuckucksheime werden in Deutschland nicht gebaut.

Deswegen ist die Enttäuschung der Linken über den Pragmatismus von Kanzler Olaf Scholz ja so groß. Über die Zeit wird unsere Politik auch in den Umfragen Wirkung zeigen. Das Ziel muss natürlich sein, die FDP dauerhaft zweistellig zu etablieren. Und was die Ampel-Koalition angeht, da müssen wir das verbindende Element – das Aufstiegsversprechen – viel stärker in den Vordergrund rücken.

Haben Sie den Eindruck, dass der grüne Bundeswirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck genug dafür tut, Gas nach Deutschland zu bringen?
Schäffler: Das Problem ist ein anderes. Wir lassen keine Alternativen zu. Wenn im Frühjahr die Prüfung der Verlängerung des AKW-Betriebs eine Woche gedauert hat, bis ein negatives Ergebnis herausgekommen ist, und jetzt die erneute Prüfung schon Wochen dauert, dann vermute ich nicht nur sachliche Argumente hinter dem Vorgehen.

Sie vermuten eine bewusste Verzögerung?
Schäffler: Das ist eine Verzögerungstaktik, weil der mögliche Weiterbetrieb der drei Atomkraftwerke an die Grundsubstanz der Grünen geht. Über diese Hürde müssen die Grünen springen, denn es geht um das ganze Land und dass 82 Millionen Menschen Strom haben und ihre Wohnungen heizen dürfen.

Sie gelten als Kritiker der Strukturen des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks. Denken Sie, dass der Skandal um die zurückgetretene ARD-Chefin und entlassene RBB-Intendantin Patricia Schlesinger für Reformen sorgen könnte?
Schäffler: Ich hoffe das sehr. Europaweit sehen wir einen Trend, staatlicherseits von Gebühren und Beiträgen abzurücken. Frankreich und Großbritannien gehen da voran, und diese Länder haben eine sehr viel längere Demokratietradition als wir. Deshalb muss es auch in Deutschland eine Debatte über den Umfang und die Finanzierung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks geben. Wir haben über 20 Fernseh- und 60 Radioprogramme, die öffentlich finanziert werden. Das ist absurd. Mit 8,4 Milliarden Euro Beitragseinnahmen pro Jahr haben wir den teuersten Rundfunk der Welt. Das ist ein Fass ohne Boden.

Warum?
Schäffler: In seinem jüngsten Urteil hat das Bundesverfassungsgericht die Bundesländer verpflichtet, die Vorgaben der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Sender zu akzeptieren. Ein einzelnes Bundesland kann sich also nicht gegen diese Festlegung der Rundfunkbeiträge stellen. Die Sender müssen nur ihre Kosten nachweisen, und Kosten kann man immer produzieren, wie man jetzt beim RBB sieht.

Scheitert die geplante ICE-Schnelltrasse von Bielefeld nach Hannover quer durch OWL an den Kosten?
Schäffler: Die Probleme der Bahn sind noch größer als tagtäglich kolportiert wird. Das hängt auch mit der finanziellen Ausstattung der Staatskonzerns Bahn während Angela Merkels Kanzlerschaft zusammen. 2011 hatten wir etwas mehr als eine Milliarde Euro für Neu- und Ersatzbau bei der Bahn im Bundeshaushalt. Wir geben jetzt zum ersten Mal etwas mehr als zwei Milliarden Euro aus. Alle Fachleute sagen, dass diese Summe auf drei Milliarden Euro pro Jahr erhöht werden muss, um die Substanz der Bahn zu erhalten. Auf meine Anregung hat der Haushaltsausschuss eine neue Kostenbeurteilung für alle Verkehrsträger angefordert, weil die Datenbasis aus dem Jahr 2015 stammt. Das entspricht nicht mehr der Kostenrealität von heute. Die geplante ICE-Trasse zwischen Bielefeld und Hannover ist mit knapp sechs Milliarden Euro in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen worden. Aber wir müssen mindestens von einer Verdoppelung der Kosten ausgehen.

Was bedeutet das für die Trasse?
Schäffler: Da im Verkehrssektor das Geld an allen Stellen fehlt, sollte man einen realistischeren Blick auf diesen Deutschland-Takt werfen. Denn Bau und Instandsetzung von Tempo-300-Strecken sind natürlich überproportional teuer. Es kann nicht nur um die Bahn gehen, sondern auch um Wasserstraßen und Schleusen. Auch da stehen riesige Investitionskosten an. Deswegen setze ich auf einen Ausbau der Strecke zwischen Minden und Hannover und lehne den Neubau einer ICE-Trasse durch OWL ab.

Dieses Interview erschien am 17.8.2022 im Westfalen-Blatt.

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E-Mail: frank.schaeffler@bundestag.de
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