Foto: Mike Winkelmann from Wikimedia Commons (CC BY 4.0)
Die Zukunft ist ungewiss. Dies ist so banal, dass es schon wieder reizt, darüber nachzudenken. Denn im politischen Prozess ist diese Banalität längst nicht so offensichtlich. Hier glaubt man, die Zukunft vorhersagen und bestimmen zu können. Im nun geplanten Gebäudeenergiegesetz von Robert Habeck wird beispielsweise alles auf die Wärmepumpe gesetzt. Im Netzentwicklungsplan geht man davon aus, dass es in Deutschland im Jahr 2045 16,3 Millionen Wärmepumpen geben wird. Zum Vergleich: 2021 gab es 1,2 Millionen. Diese verbrauchen dann 67 bis 90 Terrawattstunden Strom. Ob das alles eintritt, weiß ich auch nicht. Immerhin dauert es noch 22 Jahre, bis das Ziel erreicht werden soll.
Solche Planungsziele und Prognosen gibt es vielfach. Die Bundesbauministerin Klara Geywitz hat beispielsweise das Ziel ausgegeben 400.000 neue Wohnung in Deutschland zu bauen. Sie wird diese nicht persönlich bauen, sondern braucht andere dafür – Häuslebauer, Wohnungsbaugesellschaften, Bauträger. Auch dieses Ziel ist wünschenswert, ob es realistisch ist, bleibt abzuwarten. Zweifel sind sicherlich angebracht. Denn auf einige Faktoren hat die Regierung direkten, auf andere gar keinen oder nur einen mittelbaren Einfluss. Oft widersprechen sich die Ziele sogar. Werden die Baukosten durch staatliche Auflagen der Heizungstechnik, der Dämmung oder durch bürokratische Hürden höher, dann werden auch nicht so viele neue Wohnungen gebaut. Steigen die Zinsen, deren Entwicklung die Notenbanken beeinflussen und die Regierung nur mittelbar über ihre Fiskalpolitik verändern kann, dann konterkariert dies ebenfalls die Entwicklung der Neubauten in Deutschland. Auf die lange Zeit unterbrochenen Lieferketten hatte die Regierung fast gar keinen Einfluss. Und dennoch werden diese Ziele selbstbewusst versprochen.
Friedrich August von Hayek hat in seiner Rede aus Anlass der Verleihung des Nobel-Gedächtnispreises in Wirtschaftswissenschaften 1974 in Stockholm über „die Anmaßung von Wissen“ gesprochen. Diese Rede ist heute noch sehr lesenswert, weil die Grundthese zur Bescheidenheit mahnt. Hayeks Rede ist eine Abrechnung mit der vorherrschenden ökonomischen Theorie, die auf mathematische Modelle beruht und deren „Ergebnisse“ und „Wahrheiten“ von Politiker anschließend übernommen werden. Gerade hier setzt Hayeks Kritik an. Da die Wirtschaftswissenschaften zu den Sozialwissenschaften zähle und eben keine exakte Naturwissenschaft sei, habe man es hier mit „Strukturen inhärenter Komplexität zu tun, d.h. mit Strukturen, deren wesentliche Eigenschaften nur durch Modelle mit einer verhältnismäßig großen Anzahl von Variablen dargestellt werden können.“ Da nicht alle Informationen von einem Menschen, einer Gruppe oder einer Regierung vorliegen können und dieses Wissen auch nicht vorhanden sein kann, können auch nicht die Abweichungen gemessen werden. In meinen Worten: sie sind immer falsch.
Das ist der Grund, warum ich gegenüber Langfristzielen und vermeintlich gesicherten Prognosen von Ökonomen grundsätzlich skeptisch bin. Das Gefährliche an ihnen ist, dass sie Regierungen und Parteien als Vorlage für ihre politische Agenda dienen. Sie sind oft die Basis für Eingriffe in die Vertragsfreiheit und das Eigentum. Diese „Wirtschaftsingenieure“ glauben, sie könnten eine Gesellschaft oder ein Wirtschaftssystem formen, an dieser oder jener Schraube drehen, damit dann später das richtige Ergebnis herauskommt. Dieser Trugschluss ist fatal, weil er eine „Anmaßung von Wissen“ bedeutet. Dieses Wissen hat Niemand – kein Bundeswirtschaftsminister und keine Bundesbauministerin. Es hat Niemand. Die Marktwirtschaft, oder besser der Kapitalismus, ist das Entdeckungsverfahren, das diese Komplexität ordnet und zu einem effizienten Ergebnis führt. Das geschieht eben nicht durch einen großen Plan einer Regierung, sondern es sind die einzelnen Pläne der Marktteilnehmer, die durch einen dauernden Prozess von Versuch und Irrtum zum „richtigen“ Ergebnis führen.
Wir verkennen oft, dass die Folgen von planwirtschaftlicher Politik meist im Heute nicht überprüfbar sind, sondern erst in vielen Jahren oder Jahrzehnten. Dann müssen diejenigen, die diese Ziele aufgestellt, Gesetze und Verordnungen darauf ausgerichtet, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbau organisiert und angestoßen haben, dafür nicht mehr geradestehen. Sie sind bestenfalls vergessen. Die Grundlage unseres Zusammenlebens und Wirtschaftens haben sie jedoch maßgeblich beeinflusst. Was Friedrich August von Hayek uns lehrt, ist Demut: „Wenn der Mensch in seinem Bemühen, die Gesellschaftsordnung zu verbessern, nicht mehr Schaden stiften soll als Nutzen, wird er lernen müssen, dass er nicht volles Wissen erwerben kann, das die Beherrschung des Geschehens möglich machen würde.“
Dieser Artikel erschien zuerst bei Prometheus – Das Freiheitsinstitut