Foto: „La tour Eiffel illuminee en bleu blanc rouge“ von Yann Caradec auf Flickr (CC BY-SA 2.0)
Die Parlamentswahlen in Frankreich kommen einem Erdrutsch gleich. Das kann man schon daran festmachen, dass drei Viertel der Abgeordneten neu ins Parlament einziehen werden. Aus dem Stand hat „La République en marche“, die neugegründete Partei des Präsidenten Emmanuel Macron, die absolute Mehrheit in der Französischen Nationalversammlung erzielt. Das ist bemerkenswert. Ist die junge Partei doch erst im April letzten Jahres gegründet worden. Zwar ist „en marche“ in der zweiten Kammer, dem Senat, derzeit noch nicht vertreten, doch im September wird etwas mehr als die Hälfte der 348 Senatoren neu gewählt. Sollte sich der Erfolg Macrons dann auch fortsetzen, gibt es keine Ausreden mehr. Macron muss dann liefern. Das ist auch bitter notwendig. Frankreich liegt ökonomisch am Boden.
Frankreichs Industrieproduktion liegt nach wie vor fast 13 Prozentpunkte unter dem Hoch von April 2008. Das Baugewerbe sogar über 21 Prozentpunkte darunter. Der Niedergang der französischen Wirtschaft lässt sich am besten an der Zahl der Arbeitslosen festmachen. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 21,7 Prozent. Die offizielle Zahl der registrierten Arbeitslosen beträgt rund 3,5 Millionen (10 Prozent). Wird jedoch die versteckte Zahl an Personen, die geringfügig beschäftigt sind, aber mehr arbeiten wollen und Personen die sich in Weiterbildungsmaßnahmen befinden oder krank sind, hinzugerechnet, liegt die Zahl bei über 6 Millionen. Bei 67 Millionen Einwohnern ist dies eine gigantische Zahl und zeigt die ganze Dimension des Problems.
Das alles hat seinen Preis. Die Staatsquote liegt mit 56,6 Prozent im traditionell zentral regierten Frankreich besonders hoch. Die Staatsverschuldung hat sich in den letzten 10 Jahren um 1.000 Milliarden Euro und in Relation zur Wirtschaftskraft um 50 Prozent erhöht. Die zweitgrößte Wirtschaftsmacht in Europa steht mit dem Rücken zu Wand. Was Deutschland zu Beginn des Jahrtausends war, der kranke Mann Europas, ist heute Frankreich.
Macron müsste eigentlich Reformen im Ausmaß einer Schröderschen „Agenda 2010“ anstoßen, um Frankreich aus der Lethargie zu befreien. Erste Ansätze dazu hat er bereits vorgelegt. Die Körperschaftsteuer will er auf 25 Prozent (von 33 Prozent) reduzieren, die Arbeitslosenversicherung vereinheitlichen und das Arbeitsrecht flexibilisieren. Der Konflikt mit den mächtigen Gewerkschaften ist dabei vorprogrammiert, wenn er die Möglichkeit der Lohnverhandlungen von den Tarifparteien auf die Arbeitnehmer und Arbeitgeber verlagern will.
Macron lässt sich wirtschaftspolitisch dennoch nicht richtig fassen. Er ist wie ein glitschiger Aal. Auf der einen Seite tritt er für einen „New Deal“ für die EU ein, will den Juncker Fonds sogar noch aufstocken, um Investitionen anzuregen. Gleiches plant er im eigenen Land mit einem Investitionsprogramm für 50 Mrd. Euro. Gleichzeitig will er die Staatsausgaben um 60 Mrd. Euro senken und 120.000 Stellen im Öffentlichen Dienst streichen, aber den Verteidigungsetat auf 50 Milliarden Euro erhöhen und 29.000 neue Stellen bei Polizei, Strafvollzug und in den Schulen schaffen. Sein Bekenntnis zum Maastricht-Ziel von max. 3 Prozent Staatsdefizit zur Wirtschaftsleistung und die Reduktion der Staatsquote auf 53 Prozent klingt dann wie die eierlegende Wollmilchsau. Von allem ein bisschen, aber nichts konsequent.
Der Präsident der 5. Republik ist sicherlich kein Liberaler. Er ist weniger Sozialist als sein Vorgänger Francois Hollande und er ist weniger Nationalist als seine Gegenkandidatin Marine Le Pen. Aber was ist er? Wie tickt Emmanuel Macron? Die Antwort auf diese Frage steht noch aus und entscheidet letztlich nicht nur über die Zukunft Frankreichs, sondern auch über die weitere Entwicklung der Europäischen Union und des Euros.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Prometheus – Das Freiheitsinstitut.