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Die Einführung der Deutschen Mark am 20. Juni 1948 war der Erweckungsmoment der Marktwirtschaft in Deutschland. Eine neue stabile Währung, die schnell Vertrauen schuf, war die Voraussetzung für den Wiederaufbau, zumindest in der BRD. Doch ohne die Freigabe der Preise wenige Tage später am 24. Juni 1948 hätte sich die Marktwirtschaft nicht so schnell entfalten können. Ludwig Erhards mutiger Schritt, gilt daher zurecht als Geburtsstunde unseres Wirtschaftsmodells, der Sozialen Marktwirtschaft. Sie beruht auf dem Gedanken des Wettbewerbs, bei dem der Staat als Schiedsrichter die Regeln formuliert und durchsetzt, aber auf dem Feld des Marktes möglichst private Akteure agieren. Kurz: Privat vor Staat. Die Soziale Marktwirtschaft ist daher kein Zwischending zwischen Marktwirtschaft und Planwirtschaft. Nein, Ludwig Erhard hat dies immer wieder betont: „Ich meine, dass der Markt an sich sozial ist, nicht dass er sozial gemacht werden muss.“
Warum ist das noch heute von Bedeutung? Zum einen ist eine stabile Währung eine notwendige Bedingung für eine stabile Wirtschaft. Nur wenn Unternehmen und Bürger ihre individuellen Investitionsentscheidungen planen können, wenn sie Gewähr tragen, dass eine Inflation nicht unkalkulierbare Preise erzeugt und Bürger Vertrauen in die Zukunft haben, ist Prosperität und Wachstum von Dauer möglich. Die hohe Inflation in Deutschland und Europa lässt aktuell daran zweifeln, ob dieses Kriterium derzeit erfüllt wird. Doch hinreichend sind eine stabile Währung und stabile Preise für den Wohlstand eines Landes nicht. Hinzukommen muss auch eine Wettbewerbsordnung, die freie Preise durch Marktprozesse entstehenden lässt.
Hier ist Deutschland seit vielen Jahren auf der schiefen Bahn. Es gibt nicht mehr viele Wirtschaftsbereiche, die nicht durch staatliche Eingriffe in die Preisbildung gestört sind. Vom Gesundheitssektor, über den Energie- und Verkehrssektor bis zum Banken- und Versicherungsbereich sind fast alle „Märkte“ eingeschränkt und damit verzerrt. Der Staat lenkt immer mehr. Er ist nicht mehr nur Schiedsrichter. Er will auch Trainer, Mannschaftsarzt und Maskottchen sein. Ab und zu geht er auch selbst in den Sturm, um Tore zu schießen. Und dann gelingt sogar mal ein Tor. Viel hilft viel. Auch ein blindes Huhn findet bekanntlich mal ein Korn. Doch mit jedem Tor fängt sich der Staat selbst weitere Tore ein. Er weiß gar nicht, wer bald wieder aufs eigene Tor stürmt und die Tore schießt. Sie kommen aus allen Richtungen. Aus der Abwehr, von der linken und rechten Außenlinie und auch mal aus den eigenen Reihen.
Wenn wir fragen, warum Deutschland international zurückfällt, dann liegt es daran, dass der Staat sich zu viel einmischt. Er untergräbt das Eigentum, indem er Unternehmern vorschreibt, wie, was und wo sie investieren sollen. Welche Rohstoffe und Vorprodukte sie kaufen sollen und wie sie ihre Produkte verkaufen dürfen. Der Unternehmer ist Bittsteller und Handlungsgehilfe des Staates zugleich. Das Lieferkettengesetz ist ein Beispiel von vielen, wo diese Aushöhlung des Eigentums stattfindet. Die Nachhaltigkeitsanforderungen der EU gehören ebenfalls dazu. Das mag alles gut begründet sein. Doch der Staat und seine Handelnden trauen den Unternehmen und ihren Kunden nicht zu, die richtigen Entscheidungen zu treffen, sondern diese sollen „demokratisiert“ werden. Nicht der Einzelne soll entscheiden dürfen, was und wie er als Unternehmer investieren oder was er an der Ladenkasse als Konsument kaufen will. Nein, dies soll „demokratisch“ entschieden werden – durch das Parlament und die Regierung.
Damit übernimmt sich aber der Staat. Er verzettelt sich und schafft dadurch mehr Probleme als er löst. Um an den Anfang zurückzukehren: Das ist eigentlich die tiefere Erkenntnis der Preisfreigabe Ludwig Erhards vor 75 Jahren. Erhards innerer Kompass war es, dass er die Komplexität einer Gesellschaft durchdrungen hat. Er war nicht so anmaßend zu glauben, man könne beispielsweise die Zahl der einzubauenden Wärmepumpen pro Jahr auf 500.000 Stück festlegen. Ihm war klar, dass dies scheitern muss, weil niemand das Wissen hat, wann, wo und in welcher Stückzahl Wärmepumpen im Jahr 2030 gebraucht werden. Vielleicht gibt es zu diesem Zeitpunkt eine bessere Technologie, mehr oder weniger Bedarf, höhere oder niedriger Energiepreise. Ich weiß es nicht, die Regierung aber auch nicht. Dieses Wissen hat heute niemand. Außer Modellrechnungen existiert nichts. Was man heute aber feststellen kann, ist, dass bis vor wenigen Jahren die Bürger mit finanziellen Anreizen des Staates noch in den Umstieg in eine Gasheizung gedrängt wurden, und sich dies jetzt alles als vermeintlich falsch herausstellt. Die Konsequenz ist ganz klar: Die Marktteilnehmer werden darauf reagieren. Sie werden Versprechungen der Regierung nicht mehr blind vertrauen. Sie werden sich absichern und zurückhalten, um Fehlinvestitionen zu vermeiden. Dieser schmerzhafte Lernprozess hat bei aller ökonomischen Brisanz für den Einzelnen auch etwas Gutes. Es zeigt jedem Bürger die Grenzen staatlichen Handelns auf und kann sie wieder offener machen für die unbehinderte Marktwirtschaft. Und er zeigt jedem auf, dass diese die Intervention des Staates in die Märkte ihren Preis hat. Dieser Preis wird irgendwann auch aufgerufen, denn diese Party muss auch bezahlt werden. So wie Ludwig Erhard es schon betonte: „Es gibt keine Leistungen des Staates, die sich nicht auf Verzicht des Volkes gründen.“
Diese Kolumne erschien zuerst bei Prometheus – Das Freiheitsinstitut