Frank Schäffler

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„Wir waren zu konfliktscheu“

Photo by Mika Baumeister on Unsplash

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler, Mitglied im Landesvorstand der Liberalen in Nordrhein-Westfalen, sprach mit dem Cicero über den Ausgang der Landtagswahl in NRW. Die Fragen stellte Daniel Gräber.

Herr Schäffler, was ist Ihnen als erstes durch den Kopf gegangen, als Sie gestern Abend das FDP-Wahlergebnis aus NRW gesehen haben?

Dass es ein Desaster mit Ansage war. Es zeichnete sich schon seit Wochen ab, dass wir wesentlich hinter den Erwartungen liegen werden. Es ist das eingetreten, was ich befürchtet habe.

Wie hat es sich abgezeichnet? In Umfragen?

Auch von der Stimmung her, wie ich sie wahrgenommen habe, an der Parteibasis. In Schleswig-Holstein haben wir es nur knapp geschafft, in den Landtag zu kommen, im Saarland gar nicht. Das waren keine guten Voraussetzungen für Nordrhein-Westfalen. Dabei hätte man zumindest im Saarland, das ist ja sehr klein, mit etwas mehr Einsatz der Gesamtpartei  mehr erreichen können. Das ist sicher.

Das Problem liegt auf der Bundesebene?

Es liegt auch auf Bundesebene, aber nicht nur. In Nordrhein-Westfalen war der Kuschelkurs mit der CDU das entscheidende Problem. Am Ende wurde nicht deutlich, wofür die FDP in NRW eigentlich steht. Alle waren da zu zögerlich. Die Unterschiede wurden zu wenig herausgearbeitet und wir waren zu konfliktscheu. Das hat sich gerächt. Die Performance der schwarz-gelben Koalition war sicherlich nicht nur schlecht, wir hatten auch viele Erfolge nachzuweisen. Aber dafür sind nicht wir gewählt worden, sondern dafür ist die CDU gewählt worden. Denn wir haben die Unterschiede nicht deutlich genug gemacht.

Sie kritisieren den Kuschelkurs mit der CDU. Andere Stimmen in Ihrer Partei werfen Christian Lindner einen Kuschelkurs mit der SPD vor. Er hänge zu sehr an Olaf Scholz. Wie sehen Sie das?

Man kann zumindest sagen, dass die Ampel weder der SPD noch der FDP gut tut. Derzeit profitieren nur die Grünen von der Koalition in Berlin, das sollte uns zu denken geben. Ich glaube, auch die FDP in Berlin muss deutlicher machen, wo die Unterschiede in der Koalition liegen. Das verschwimmt gerade, weil wir selbst unsere Prinzipien nicht ausreichend vertreten, sondern glauben, man könne auf der grünen Seite Geländegewinne machen. Der Wähler will aber keine grüne FDP, sondern wählt dann lieber das Original.

Nennen Sie mal ein konkretes Beispiel: Woran machen sie die Vergrünung der FDP fest?

Das Neun-Euro-Ticket, das im Sommer deutschlandweit für den regionalen Bus- und Bahnverkehr gelten soll. Das ist nicht nur finanziell, sondern auch organisatorisch und umweltpolitisch nicht sinnvoll. Es kostet viel Geld und bringt wenig. Wir versuchen, vermeintlich hippe Themen aufzugreifen, weil wir glauben, da könnten wir Punkte sammeln. Aber wir haben die Bundestagswahl mit unseren Themen gewonnen und nicht mit dem Kopieren von grünen Themen. Wir müssen der marktwirtschaftliche Kern dieser Koalition sein.

Bei den finanzpolitischen Linien, die Christian Lindner in der Koalition zu vertreten hat, scheint die Frage der Kosten keine allzu große Rolle mehr zu spielen.

Was wir jetzt an Geld ausgeben, muss irgendwann jemand bezahlen. Diese Botschaft muss stärker werden. Die Zeit der Schulden, also der Pandemie-bedingten Aufhebung der Schuldenbremse, geht zu Ende. Dann müssen Entlastungen oder höhere Ausgaben auf der einen Seite Einsparungen auf einer anderen Seite zur Folge haben. Denn das Geld fällt nicht vom Himmel, sondern die Menschen müssen es erarbeiten und die Schulden zurückzahlen.

Die Corona-Krise geht derzeit nahtlos in eine Energiekrise über. Unternehmen, die von steigenden Energiepreisen betroffen sind, soll ähnlich großzügig geholfen werden wie während des Lockdowns. Wo soll das enden?

Wir müssen auf die Erwartungsbremse treten, weil es sonst nicht gut endet. Wir sehen es schon bei der Inflation. Für die Inflationsrate ist im Wesentlichen die Europäische Zentralbank verantwortlich. Aber wenn die öffentlichen Haushalte keine Zurückhaltung üben, dann bekommen wir die Inflation nicht in den Griff.

Der FDP-Bundesparteitag hat jüngst beschlossen, angesichts der Abhängigkeit von russischem Gas über die Atomenergie neu nachzudenken. In der Ampelkoalition mit Grünen und SPD wird sich das schwer umsetzen lassen.

Wenn Putin den Gashahn zudreht, müssen wir froh sein, dass wir Alternativen haben. Wir haben eine ganze Reihe von Gaskraftwerken, die zur Stromerzeugung genutzt werden und dann ausfallen würden. Daher erwarte ich eine Diskussion innerhalb der gesamten Regierung. Da können wir uns nicht nur auf die Analysen der beiden grünen Ministerien verlassen.

Sie meinen das Wirtschafts- und das Umweltministerium, die sich gegen eine Verlängerung der Kernkraft-Laufzeit ausgesprochen haben.

Wir müssen als FDP stärker darauf drängen, dass es unabhängig überprüft wird, ob und wie die deutschen Kernkraftwerke weiterlaufen können. Wir haben jetzt noch ein Zeitfenster von einem halben Jahr, um die notwendigen Voraussetzungen für einen Weiterbetrieb zu schaffen. Je länger wir warten, umso schwieriger wird es. Deshalb erwarte ich, dass das jetzt geschieht.

Im Bayerischen Landtag gab es vergangene Woche eine Expertenanhörung dazu. Der Betreiber des letzten noch laufenden bayrischen Kernkraftwerks sagte, man bräuchte noch diesen Monat eine Entscheidung.

Das Zeitfenster schließt sich. Es war fatal, dass wir diese Abhängigkeit in Richtung Russland eingegangen sind. Aber deshalb muss man jetzt die Konsequenzen ziehen und darf nicht aus ideologischen Gründen etwas ausschließen. Die Grünen haben ja auch zugestimmt, dass die Kohlekraftwerke länger laufen. Das war bis vor einem Jahr undenkbar. Ich glaube, man muss auch bei den Kernkraftwerken noch mal in eine ernsthafte Prüfung eintreten. Ideologische Scheuklappen müssen jetzt überwunden werden.

Mit Friedrich Merz an der Spitze ist die CDU wieder für konservativere und wirtschaftsliberal denkende FDP-Wähler attraktiv geworden. Ist auch das eine Erklärung für das schlechte Abschneiden?

In Nordrhein-Westfalen kann man das schon so sehen, auch wenn das Ergebnis seine landesspezifische Komponente hat. Wichtig ist generell, dass die FDP den Pfad der Tugend, der Marktwirtschaft und der Ordnungspolitik vertritt. Damit deutlich wird, dass wir da unsere Kompetenz haben und dass wir glauben, dass dieses Land so am besten vorankommt.

Sollte sich die FDP dann nicht wieder stärker als Teil des bürgerlichen Lagers profilieren statt im rot-grünen Lager ihr Profil zu verwässern?

Ich bin kein Freund dieses Lagerdenkens. Die Union regiert ja auch mit den Grünen und mit der SPD. Die FDP muss sowohl in die konservative Richtung als auch in die linke Richtung die gleiche Distanz wahren. Sie muss eine eigenständige, unabhängige Kraft im Parteienspektrum sein. Das erfordert aber, dass wir eine gewisse Größe erreichen, die uns selbstbewusst auftreten lässt. Mit knapp über fünf Prozent ist man nicht in der Lage, Selbstbewusstsein auszustrahlen. Deshalb muss die FDP dauerhaft zweistellig sein. Und das erfordert eben eine gewisse Entschiedenheit, eine gewisse auch Entschlossenheit und eine gewisse Frechheit.

Frechheit heißt, sich zur Not auch mit den Koalitionspartnern anzulegen. Das ist das Gegenteil von dem, was Christian Lindner tut. Ihm scheinen Scholz‘ Kanzlerschaft und die Stabilität der Koalition wichtiger zu sein als Kernanliegen seiner Partei.

Wohin das Kuscheln mit dem Koalitionspartner führt, haben wir in NRW erlebt. Diesen Fehler dürfen wir im Bund nicht wiederholen. Wir haben in NRW immer deutlich gemacht, wie gut wir mit der CDU zusammenarbeiten können und wie wir uns mögen. Aber es ist ja keine Kuschelkoalition, sondern wir sind Partner auf Zeit und versuchen eine gemeinsames Programm umzusetzen, das vorher ausgehandelt wurde. Aber wir bleiben dennoch eine eigenständige, unabhängige Kraft, die auch ihre eigenen politischen Akzente setzt.

Welche Akzente hätte die FDP denn in NRW setzen sollen?

Wir sind 2017 mit dem Versprechen „Wir wollen einen Schulfreiheitsgesetz machen“ in die Wahl gegangen. Die Schulen vor Ort sollten unabhängiger werden. Dann haben wir in der Corona-zeit das Gegenteil gemacht: Die Schulen waren ganz eng am Gängelband des Schulministeriums. Das hat zu diesem ganzen Unmut am Ende beigetragen. Wir wollten auch von NRW aus ein Einwanderungsgesetz über den Bundesrat initiieren. Da warte ich bis heute drauf. Das sind Punkte, mit denen wir bei der vorangegangenen Landtagswahl überzeugt haben, die wir dann aber im Laufe der Legislaturperiode nicht durchgesetzt haben. Das rächt sich dann, daran erinnert sich der Wähler.

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